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Geschichte Geschichte: Die Legende vom Christus-Grab in Japan

04.12.2008, 08:47
Das angebliche Grab von Christus in Shingo, ein kleines 3000-Seelen-Dorf im hohen Norden (FOTO: DPA)
Das angebliche Grab von Christus in Shingo, ein kleines 3000-Seelen-Dorf im hohen Norden (FOTO: DPA) dpa

Shingo/dpa. - Genauer gesagt Shingo,ein kleines von Reisfeldern, idyllischen Bergwäldern und Apfelbäumenumgebenes 3000-Seelen-Dorf im hohen Norden Japans. Der siebenAutostunden von Tokio entfernte Ort lockt den Besucher nicht nur mitDelikatessen wie Knoblauch-Eis, sondern auch mit einer erstaunlichenLegende: Demnach ist Jesus Christus nicht etwa auf dem Hügel Golgatagestorben, nein, sondern hier, im 10 000 Kilometer entfernten Japan!

Und das kam so: «Jesus kam im Alter von 21 Jahren nach Japan»,erläutert der Dorfbeamte Norihide Nagano. So stehe es in einerSchriftrolle, die 1935 in einem Schrein der fernen Provinz Ibarakigefunden worden sei, zusammen mit Jesus' «Testament». Und darin heißees, dass Herr Christus 12 Jahre in Japan mit religiösen Studienverbrachte und auch die Sprache lernte. Mit 33 kehrte er nach Judäazurück, wo er jedoch wegen seiner Lehren gekreuzigt werden sollte.Doch nicht er landete am Kreuz, sondern sein Bruder. Jesus dagegenfloh und reiste mit ein paar Jüngern, dem Ohr des Bruders und einerLocke der Jungfrau Maria über Sibirien und Alaska erneut nach Japan.

«Und am Ende kam er in dieses Dorf zurück, heiratete eineJapanerin namens Miyuko, hatte drei Töchter und wurde 106 Jahre alt»,erzählt Herr Nagano und zeigt auf zwei Erdhügel mit je einem großenHolzkreuz. Das eine sei Jesus' Grab, das andere dem Bruder gewidmet.Nein, untersucht habe man die Gräber nie, sagt Herr Nagano, ohneErlaubnis von Herrn Sawaguchi von nebenan gehe das sowieso nicht. Demgehören die Gräber nämlich, schließlich sei er ein Nachfahre vonJesus. Er mag sich dem ungläubigen Besucher zwar nicht zeigen, aberes heißt, Sawaguchis Großvater sei größer und seine Nase länger alsder Durchschnitt gewesen. Ja, und blaue Augen habe er auch gehabt.

Und ist es nicht erstaunlich, dass es hier im Dorf in früherenZeit den Brauch gab, Neugeborenen ein Kreuz auf die Stirn zu malen?Lange, bevor den Bewohnern 1935 erzählt worden war, dass sich hierlaut der damals gefundenen Dokumente Jesus' Grab befinde. Übrigenshatte man damals ganz zufällig nur einen Tag drauf in der Nähe nochetwas Tolles entdeckt: Pyramiden, die älter als die in Ägypten seien.Schade nur, dass keiner der Steine dort heute auch nur im Geringstendanach aussieht; angeblich sind sie im 19. Jahrhundert eingestürzt.

Damals hieß Shingo noch Herai (klingt das nicht ein bischen nach«Hebrai», also irgendwie Hebräisch?) Und auch die Kleidung der Bauernfrüher, sehe sie nicht ein bischen wie die der Schäfer aus derbiblischen Region aus, erzählt Herr Nagano beim Rundgang durch einkleines Christus-Museum, das mit den beiden Grabhügeln heute Teileiner öffentlichen Parkanlage ist. Natürlich behaupte man nicht, dassdas alles Tatsachen seien. «Ich weiß selber auch nicht, ob ichglauben soll, dass das Jesus' Grab ist», räumt Herr Nagano ein.Möglich sei aber ja, dass da zumindest eine wichtige Person liege.

Die Kreuze waren erst in den 60er Jahren aufgestellt worden - vomTourismusbüro des Dorfes. Seit damals feiern die Bewohner jedes Jahrim Juni dort das «Kirisuto Matsuri», das «Christus-Fest» - auch wennes mit dem Christentum nichts zu tun hat, vielmehr mit Shinto, JapansUr-Religion. Sowieso ist kein einziger Bewohner Christ, wie überhauptnur etwa ein Prozent der Japaner Christen sind. Und was Jesus'«Testament» und das Dokument anbelangt, in dem die ganze Geschichtesteht, so sollen die Originale im Zweiten Weltkrieg verbrannt sein.Im Museum liegt nur eine Kopie, und auch das sei nur eine Übersetzungins moderne Japanisch - alles doch nur eine Fälschung, meinen andere.

Echt dagegen ist zumindest eine Steinplatte mit Inschrift nebenden Grabhügeln: ein Geschenk der Stadt Jerusalem, gespendet 2004 vomisraelischen Botschafter. Es sei nur Ausdruck einer normalenStädtefreundschaft wie man sie auch mit anderen Gemeinden habe, sagtMariko Samejima von der Botschaft. Natürlich glaube man nicht, dasshier Jesus begraben liegt, «das ist ganz ausgeschlossen». Aber mansehe darin auch keine Blasphemie. Für manchen ist das Ganze eh nurein weiteres Beispiel, wie Japaner geschickt Dinge aus dem Auslandaufnehmen und daraus etwas eigenes machen, so wie auch Weihnachteneher ein romantisch-lustiges Event zum Shoppen und Schlemmen ist.

Ganz gleich, was an Shingos Legende von Jesus' Grab und denPyramiden dran ist. Eines hat die fantastische Geschichte denBewohnern jedenfalls beschert: viele Touristen - mehr als 30 000jedes Jahr. Und für die gibt es am Ende dann noch eine weitereörtliche Spezialität: Reiswein, mit dem passenden Namen: «Christus-Dorf».