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Geschichte Geschichte: Barbara Stratzmann soll 53 Jungen und Mädchen geboren haben

08.05.2007, 13:14
In der Cyriakus Kirche in Bönnigheim nahe Ludwigsburg hängt eine zeitgenössiche Darstellung von Barbara Stratzmann, die 52 Kinder zur Welt gebracht haben soll. (Foto: dpa)
In der Cyriakus Kirche in Bönnigheim nahe Ludwigsburg hängt eine zeitgenössiche Darstellung von Barbara Stratzmann, die 52 Kinder zur Welt gebracht haben soll. (Foto: dpa) dpa

Bönnigheim/dpa. - In demProtokoll listete die «Schmotzerin», wie die fruchtbare Frau wegenihres Mädchennamens genannt wurde, ihre 29 Schwangerschaften auf:Dabei gab sie 18 einzelne, fünf Zwillings-, drei Drillings- sowie jeeine Sechslings- und Siebenlings-Geburt an. Ein glückliches Beispielfür alle Frauen, die an diesem Wochenende zum Muttertag geehrtwerden, ist Barbara Stratzmann jedoch kaum, denn keines ihrer Kinderwurde erwachsen.

Die Streitfrage, ob die 1503 im Alter von 55 Jahren gestorbeneFrau tatsächlich so viele Kinder gebären konnte, beschäftigt bisheute viele Menschen. Gynäkologen äußern sich skeptisch, derHistoriker Kurt Sartorius ist dagegen von diesem Kinderwunderüberzeugt. «Die Dokumente sprechen eine deutliche Sprache», sagt derBönnigheimer Heimatforscher.

Sartorius führt das spätgotische Tafelbild an der Nordwand derCyriakus-Kirche in Bönnigheim an, das oben die Geburt Christi imStall von Bethlehem zeigt und unten eine Familie mit 53 Kindern:Links vom Betrachter knien der Vater und 38 Söhne, rechts die Mutterund 15 Töchter. Ein Gedicht preist den Kinderreichtum der FamilieStratzmann. Das Bild verrät allerdings nichts davon, dass dieGeburten über 30 bis 35 Jahre verteilt waren und alle Kinder frühstarben. 19 von ihnen wurden tot geboren oder starben kurz nach derGeburt, keines sei älter als sieben Jahre geworden, gab die Mutterdamals zu Protokoll. Mediziner vermuten heute, dass sie eine doppelteGebärmutter hatte.

Ein weiteres Dokument des Kindersegens ist in einer Chronikfestgehalten: Als Kaiser Maximilian I. bei einem Besuch in Vaihingenan der Enz vom Kinderreichtum der Schwäbin erfuhr, verlangte er 1509Auskunft darüber. Der Bönnigheimer Stadtschreiber berichtete demMonarchen vom Fruchtbarkeitswunder der sechs Jahre zuvor gestorbenenFrau. Ein Bericht über den ungewöhnlichen Kindersegen des EhepaaresStratzmann befindet sich auch in der «Gemmingischen Chronik». Siewurde gegen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts vonSebastian Burggraf verfasst, dem früheren Präzeptor und späterenRegistrator des Pfalzgrafen Johann der Ältere von Zweibrücken.

Mediziner äußern sich skeptisch zu den 53 Geburten. Bereits vor 17Jahren zweifelte der Heilbronner Professor Hermann Krieg am «Wundervon Bönnigheim»: Unwahrscheinlich sei, dass eine Frau diese Geburtenunter den Verhältnissen des Mittelalters überstanden haben soll. DerUlmer Professor Christian Lauritzen erklärte einst dieUngereimtheiten wie folgt: «Bei Mehrlings-Schwangerschaften könnendie Früchte in verschiedenen Eihautsäcken heranreifen. Es wurdewiederholt beobachtet, dass einzelne Feten vorzeitig ausgestoßen,andere aber noch weiter ausgetragen werden.»

Auch aus heutiger Sicht bestehen Zweifel. «Ich halte das fürunwahrscheinlich», sagt Professor Ulrich Karck. Dem Chefarzt derStädtischen Frauenklinik in Stuttgart sind keine Geburten mit mehrals Drillingen ohne Hormonbehandlung bekannt. «Einmal Sechslinge undeinmal Siebenlinge halte ich für komisch», betont Karck. Sechslingekommen laut Statistik unter drei Milliarden Geburten einmal vor,Siebenlinge sind noch seltener.

So unwahrscheinlich der Bönnigheimer Kindersegen auch klingt - ersoll noch übertroffen worden sein. Als kinderreichste Frau der Weltgilt eine russische Bäuerin, die im 18. Jahrhundert 69 Kinderngeboren haben soll. Ein Frau in Chile, die in den 1990er-Jahrengelebt hat, soll Mutter von 55 Kindern gewesen sein.