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Geh-Genuss Geh-Genuss: Seit 16 Jahren barfuß durchs Leben

29.11.2001, 15:33
Luzia Falkenberg
Luzia Falkenberg dpa

Heimbach/Rheinland/dpa. - Luzia Falkenberg ist keinesfalls«abgedreht» - auch wenn es viele denken oder sagen. Vielleicht hatdie Altenpflegerin und Mutter von vier Kindern, die seit 16 Jahrenweder Schuhe noch Strümpfe trägt, sogar mehr «Bodenhaftung» als manchanderer Zeitgenosse: «Gibt es etwas Schöneres, als barfuß durchPfützen zu gehen und den Schlamm zwischen den Zehen zu spüren?»,fragt die zierliche Frau aus dem Eifelstädtchen Heimbach bei Aachen.

«Vor drei Jahren habe ich gedacht: Du gehst jetzt auf die 50 zu.Du müsstest mal wieder Schuhe anziehen», erzählt die überzeugteBarfußläuferin. «Ich bin Treppen hochgefallen, über jeden Bordsteingestolpert, ich konnte in Schuhen überhaupt nicht mehr laufen.» Dannwar das Thema endgültig erledigt: Sie warf ihre 30 Paar Schuhe weg,die sie bis dahin noch aufgehoben hatte.

Luzia Falkenberg erzählt von dem Tag im Sommer 1985. Sie hatteStreit mit ihrem Mann. Als sie zu einem Ausflug ins Grüne starteten,zog sie ihre Schuhe aus. «Ich wusste, dass ihn das ärgern würde»,bekennt sie freimütig. Dieser Entschluss wurde für sie zurOffenbarung: «Es war ein wunderschönes Gefühl, barfuß zu gehen»,schwärmt sie.

Den Respekt vor den eisigen Wintertagen in der Eifel hat siemittlerweile langst verloren. Mit langem Rock und dicker Jacke stapftsie barfuß durch den Schnee und genießt selbst lange Spaziergängedurch die Winterlandschaft: «Der Schnee ist an der Oberflache etwashart. Aber wenn man dann hineintritt, wird er weich und warm»,beschreibt sie ihr Wohlgefühl.

Sicher hat sie an kalten Tagen auch kalte Füße, «aber die habenandere Frauen mit Schuhen und dicken Strümpfen auch». Das Barfußgehenhat ihre Sinne geschärft. Sie spürt, wenn der Boden besonders trockenist, oder sich der erste Tau über die Wiesen legt. Der Blick für«Hindernisse» auf dem Weg hat ihre Wahrnehmung geschult: Nie würdesie sich an einem Nagel verletzen oder auf nassen, glitschigenSteinen ausrutschen, versichert sie.

Probleme mit ihren nackten Füßen haben nur die anderen. «Meinerster Mann ist nirgends mehr mit mir hingegangen», erinnert sichLuzia Falkenberg. Auch ihre Mutter habe die nackten Füße der Tochternicht akzeptiert. Fürs offizielle Familienfoto zur Goldenen Hochzeitmusste sie Schuhe anziehen. In ihrem Wohnort haben sich die Menschenzwar an ihren Anblick gewöhnt. Aber in manchen Gesichtern liest sie,was vor allem Frauen von ihr halten.

«Männer sind da viel toleranter», meint sie. Dass bis auf ihrenMann kein anderes männliches Wesen mehr mit ihr tanzen möchte,interpretiert sie als reine Vorsorge vor möglichen für sieschmerzhaften Fehltritten. Sie selbst betreibt mit munteren«Warnfarben» auf ihren Zehnägeln Selbstschutz. Wohlwollen schenkenihr die alten Menschen, denen die Altenpflegerin täglich begegnet.Die machen ihr allerdings auch bewusst, dass man im Alter dieFähigkeit verlieren kann, den eigenen Willen zu äußern. «Ich habemeinen Kindern gesagt: Wenn ich mal ins Heim komme, dann sagt denPflegern, dass ich keine Pantoffeln haben will.»