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Freude und Trauer Freude und Trauer: Haben Tiere Gefühle?

Von Roland Knauer 08.02.2015, 11:30
Die Bindung zwischen jungen Schimpansen und ihrer Mutter ist besonders stark. Im Todesfall scheinen die Affen lange umeinander zu trauen.
Die Bindung zwischen jungen Schimpansen und ihrer Mutter ist besonders stark. Im Todesfall scheinen die Affen lange umeinander zu trauen. dpa Lizenz

Halle (Saale) - Der kleine Schimpanse ist gar nicht begeistert, als die Mutter ihm seine Milch verweigert. Er versucht es immer wieder und beginnt schließlich zu jammern. Als die Mutter immer noch hart bleibt, wirft der Nachwuchs sich auf den Boden und trommelt wie wild mit beiden Fäusten. Ist ein Menschenkind in einer ähnlichen Situation, wird abgestillt oder muss auf sein Lieblingsessen verzichten, reagiert es manchmal genauso wie der kleine Schimpanse. Eltern und Wissenschaftler sind sich dann rasch einig: Der Nachwuchs ist enttäuscht und sauer. Wenn alle Bemühungen nicht fruchten, steigert er sich weiter in seine Frustration bis ein Wutausbruch folgt. Hat der kleine Schimpanse etwa die gleichen Gefühle?

Mitgefühl beobachten Christophe Boesch, Tobias Deschner und ihre Kollegen vom Leipziger Max-Planck-Institut bei Schimpansen im Taï Nationalpark an der Elfenbeinküste. Wie es unter seinesgleichen üblich ist, gibt sich dort das erwachsene Männchen Freddy als echter Macho. Um seinen eigenen Nachwuchs kümmert sich ein Schimpansen-Vater normalerweise kaum. Als aber das mit ihm nicht verwandte Schimpansen-Kleinkind Victor die Mutter verliert, springt Freddy als alleinerziehender Stiefvater ein und zieht das Kleine groß. (rhk)

Catherine Crockford vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (EVA) in Leipzig hat solche „Wutausbrüche“ bei Schimpansenkindern in Schutzgebieten in Uganda und an der Elfenbeinküste mehr als einmal beobachtet. Ob die Tiere dabei ähnliche Gefühle wie Menschen haben, kann sie aber trotzdem nicht beweisen. „Wir wissen ja nicht, was der kleine Schimpanse empfindet“, erklärt die Verhaltensbiologin.

Parallelen zur menschlichen Gefühlswelt

Es fehlt also der letzte Beweis, Hinweise auf Gefühle bei Tieren dagegen haben Forscher zuhauf gesammelt. Häufig stammen sie von Schimpansen, die ja zu unseren engsten Verwandten gehören. Als die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall 1960 begann, das Verhalten dieser Menschenaffen im Gombe Stream Nationalpark in Tansania zu beobachten, fielen ihr rasch solche Parallelen zur Gefühlswelt der Menschen auf – zumindest zu den grundlegenden Gefühlen wie Wut, Ärger oder Freude. Stießen die Schimpansen zum Beispiel auf einen Haufen Bananen, gerieten sie vor diesen Leckerbissen offensichtlich in eine Art Freudentaumel. Plötzlich fielen sich die Tiere in die Arme, küssten sich und klopften sich gegenseitig auf den Rücken. Nicht viel anders verhalten sich Fußballfans, wenn ihre Mannschaft gerade gewonnen hat.

Wenn sich aber das Verhalten zweier Arten so verblüffend ähnelt, liegt natürlich der Verdacht nahe, dass dabei jeweils dieselben Gefühle im Spiel sind: Unbändige Freude beim Fund vieler Leckerbissen. Oder eben Frust und Wut, wenn solche Leckerbissen vorenthalten werden. Manchmal können Forscher wie Crockford diese Gefühlswelt sogar messen. Weibliche Paviane leben zum Beispiel in den Savannen Afrikas in Gruppen mit engen, oft auch verwandtschaftlichen Beziehungen. Stirbt eines dieser Tiere, sind die Gefährtinnen offensichtlich lange gestresst: Mehr als einen Monat können Forscher dann höhere Werte des Stresshormons Kortisol im Organismus des Clan-Oberhauptes messen. Wieder liegt ein Vergleich mit menschlichen Gefühlen nahe. Trauern Pavian-Weibchen um ihre Gefährten?

Ob Paviane trauern und welche Anzeichen es bei Elefanten für Trauer gibt, lesen Sie auf Seite 2.

Der Verhaltensforscher Frans de Waal von der Emory-Universität im US-amerikanischen Atlanta hat Schimpansen beobachtet, die ihr totes Kind tagelang mit sich herum geschleppt haben. Dieses Verhalten lässt sich zwar nicht nur mit Trauer erklären. Vielleicht haben die Schimpansen ja nur nicht begriffen, dass ihr Kind tot ist? Gegen diese Annahme spricht eine Beobachtung von Jane Goodall: Als seine Mutter gestorben war, saß ihr achtjähriger Sohn noch stundenlang bei ihr und zog an ihrer Hand. Tage später saß er in einem Baum und betrachtete lange den Platz, an dem er mit seiner Mutter übernachtet hatte. Anscheinend hat er ihren Tod nicht überwunden, der Schimpanse wirkte apathisch, keinen Monat später starb auch er.

Auch eine Elefantengruppe in Kenia scheint Trauer zu kennen. Als eine Kuh überraschend starb, trotten die Tiere zwar nach einiger Zeit zu einem acht Kilometer entfernt liegenden Gelände mit saftigem Futter, um dort zu fressen. Aber schon am nächsten Tag kommen sie zu der toten Elefantenkuh zurück, stehen lange neben ihr. Anschließend geht es erneut in gut neunzig Minuten zum nächsten Futterplatz, nur um einen Tag später wieder zurück zu kommen. Das geht einige Tage so, berichtet der britische Forscher Ian Redmond. Vieles deutet darauf hin, dass die Elefanten um ihre tote Gefährtin trauern.

Starke Gefühle

Tiere wie diese Dickhäuter und besonders auch die nächsten Verwandten des Menschen wie Schimpansen oder Gorillas haben also offensichtlich starke Gefühle. Nur lassen sie sich kaum beweisen. Immerhin aber können Wissenschaftler die Hormone messen, die hinter den vermuteten Gefühlen stecken. So spielt zum Beispiel Oxytocin eine wichtige Rolle bei der Liebe einer Menschenmutter zu ihrem Kind oder zwischen zwei Liebenden. Dieses Hormon scheint auch das Vertrauen zu anderen Menschen positiv zu beeinflussen. Schimpansen wiederum verbessern das Vertrauensverhältnis zu Artgenossen, wenn sie sich gegenseitig das Fell pflegen. Auch dabei steigt die Konzentration von Oxytocin im Urin der Tiere an, messen die EVA-Forscher Catherine Crockford, Tobias Deschner und Roman Wittig. Noch höher aber klettert dieser Hormonwert, wenn sich die Schimpansen Leckerbissen in Form von Fleisch, Honig oder Früchten teilen. Vielleicht feiern ja Menschen aus ähnlichen Gründen besondere Gelegenheiten mit einem Essen und steigern so ihr Gemeinschaftsgefühl?