Frankreich Frankreich: «Das Mittelmeer erbricht auf die Strände»

Marseille/dpa. - Die Havarie eines Öltankers macht schnellSchlagzeilen und löst Umweltaktionen aus. Die alles in allem 100 000Tonnen Rohöl, die jährlich beim illegalen Säubern von Schiffstanksins Mittelmeer gespült werden, erregen dagegen meist nur dannAufsehen, wenn die feinen Strände etwa an der Côte d'Azurverunreinigt werden könnten. Noch heimtückischer, weil unbemerkt, istdie alltägliche Verschmutzung durch Millionen Plastiktüten, Überrestevom Ölwechsel, Chemie aus der Landwirtschaft und Zigarettenkippen.All das ist allerdings nicht so spektakulär wie das Bild vonleidenden Vögeln mit verklebtem Gefieder nach einer Ölpest.
«Das Mittelmeer ist unser Mülleimer, es kann aber nicht allesaufnehmen», sagt die französische Umweltschützerin Isabelle Poitou.Sie kämpfte in Marseille mit ihrer Organisation «Merterre» dafür, einökologisches Siechtum des Urlaubsparadieses Mittelmeer zu verhindern:«Das Meer erbricht all das auf den Strand, was es nicht verdaut hat.»Und weil vier Fünftel der Verschmutzung von den Küsten in das Meergelangen, gibt es für Poitou nur eine Lösung: «Wir müssen Abfälle100-prozentig an Land recyceln, und die Behörden müssen uns dabeihelfen.»
Allein die spanisch-französische Nordwestregion des Mittelmeereshat nach einer Studie des Forschungsinstituts Ifremer 175 MillionenStück von Überresten der Wegwerfgesellschaft «schlucken» müssen. Tagfür Tag wirft das Meer pro Kilometer Küste zwei Kubikmeter auf dieStrände und Felsen als «unverdaubar» zurück. «Wo Leute baden, wirddas Wasser streng kontrolliert, die Segelhäfen werden sauberergehalten und auch immer mehr Kläranlagen nach Umweltkriteriengebaut», erklärt Poitou. «Doch erst seit höchstens zehn Jahren wirduns klar, wie gefährlich etwa Plastiktüten sind.» Auch wenn dieVerunreinigung und Verseuchung «mit diesem Kleinvieh, das viel Mistmacht», sofort gestoppt würde, bräuchte der Meeresgrund Jahrhunderte,um wieder sauber zu werden.
Seit sechs Jahren setzen die Ifremer-Forscher im westlichenMittelmeer Muscheln in Unterwasserkäfigen ein, um das Ausmaß und dieArt der Umweltverschmutzung ermessen zu können. Die Muscheln sindbekannt dafür, dass ihr Fleisch das Wasser «filtert». Alle zwei bisdrei Monate werden die lebenden «Bio-Indikatoren» an die Oberflächegeholt und in Labors untersucht. «Dieses Verfahren ist sehr gründlichund soll bald auch im östlichen Mittelmeer eingesetzt werden», zeigensich die Meeresbiologen äußerst zufrieden mit diesem Muscheleinsatz.
Zwar ist es selten, dass Tanker im Mittelmeer Schiffbrucherleiden. Allerdings machen die Ölrückstände aus all den heimlichwährend der Fahrt gesäuberten Tanks aus tausenden Schiffen zusammengenommen jährlich mehrere Umweltkatastrophen dieser Art aus. «Es istzu befürchten, dass das Schlimmste für das Mittelmeer noch kommt», someint die französische Vogelschutzliga LPO. Sie zieht immer öfter alsZivilpartei gegen die Reeder vor Gericht, deren Tanker sich ins Meer«erleichtert» haben. Das kostet inzwischen empfindliche Geldbußen. Esbleibt einer der Wege, das Mittelmeer ein wenig in Schutz zu nehmen.