FKK in der DDR FKK in der DDR: Nackte Tatsachen von Ahlbeck bis Zittau
Halle (Saale)/MZ. - Wie selbstverständlich, beweist eine Episode aus frühen Nachwende-Jahren. Da war auf einer Wattwanderung vor den ostfriesischen Inseln eine Gruppe Urlauber in ein Gewitter geraten. Endlich wieder am Parkplatz angelangt, schien zwar die Sonne, allein, die Wanderer waren nass bis auf den letzten Faden. Ein Teil entledigte sich am fahrbaren Untersatz umgehend sämtlicher Hüllen und kramte barfuß bis zum Hals nach brauchbaren Ersatzklamotten. An den anderen Autos sprangen eifrige Väter in tropfnassen Sachen mit ausgebreiteten Decken und Handtüchern herum, um ihre Frauen vor vermeintlichen neugierigen Blicken zu schützen. Nachdem im Nackten-Lager zuerst Verblüffung herrschte, klärte ein Blick auf die Autonummern der Akteure alles auf . . . Hier trafen zwei Gesinnungen aufeinander.
Es war die Zeit, in der Auseinandersetzungen zwischen Textil- und Nackt-Badern an der Ostseeküste zum "Höschenkrieg" hochstilisiert wurden und gegenseitiges Unverständnis herrschte. Zeitgenossen, die mit Peepshows, Striptease und Kontakthöfen aufgewachsen waren, hatten plötzlich Schwierigkeiten mit FKK-Stränden? Da staunten die Ossis!
Ob Baggersee, Waldtümpel oder Ostseestrand - gesonnt und gebadet wurde in der DDR immer öfter nackt, vor allem seit den 70er Jahren. 80 Prozent der DDR-Bürger hatten FKK-Erfahrung (jawohl, auch dazu gibt es eine Untersuchung), mehr noch, FKK galt schlicht als Lebensform der DDR-Familie.
Die Deutungen für dieses Verhalten klingen bizarr. Vom Ausgleich für andere Einschränkungen ist die Rede, vom geringeren Einfluss der katholischen Kirche und ihrer strengen Sexualmoral und sogar von der prüden US-Kultur, die in den alten Bundesländern eine größere Rolle gespielt habe.
Was immer es auch war, was Urlauber sogar beim Camping zu völliger Nacktheit veranlasste (zum Beispiel auf dem legendären Zeltplatz in Prerow, dem größten FKK-Zeltplatz der DDR), es betraf alle Schichten, nicht nur Intellektuelle und Künstler. Die mögen einst in den 50er Jahren in der Künstlerkolonie Ahrenshoop vielleicht die Vorreiter der nackten Sonnenanbeter gewesen sein - allein blieben sie nicht.
Ihre Anfänge nahm die FKK-Bewegung übrigens schon zu Zeiten der Weimarer Republik. Was die Nationalsozialisten umgehend 1933 verboten, um es dann allerdings nach 1942 wieder zu erlauben. 1954 gab es auch in der DDR den Versuch eines Verbots, der damit endete, dass es ab 1956 spezielle Strände für die Freikörperkultur gab. Allein, dabei blieb es nicht. Offiziell oder nicht, das scherte mit der Zeit niemanden mehr. Und so zogen sich die DDR-Bürger immer öfter und an immer mehr Badestellen und Stränden einfach aus.
Ob die Ostdeutschen nun tatsächlich freizügiger waren oder ein unverkrampfteres Verhältnis zu ihrem Körper hatten, weil ihnen Schlankheits- und Fitnesswahn angeblich fremd waren, das Ergebnis waren nackte Tatsachen von Ahlbeck bis Zittau. In den 80er Jahren erschien schließlich sogar der FKK-Reiseführer "Baden ohne", der die bekanntesten und beliebtesten Strände und Seen auflistete. Von Vollständigkeit konnte allerdings keine Rede sein, denn der gewiefte Erholungssuchende kannte weit mehr als die darin offiziell beschriebenen Badestellen. Dem Urheber des Reiseführers nutzte sein Pseudonym Friedrich Hagen auch nicht viel, denn er wurde sehr schnell als der bekannte Autor Lutz Rackow enttarnt.
Fakt ist, dass die Zahl der offiziellen FKK-Strände nach der Wende auf ehemaligem DDR-Gebiet zurückgegangen ist. Und die Gewohnheit, völlig ungezwungen mit Kind und Kegel zum Baden zu ziehen und dabei ohne Scheu alle Hüllen fallen zu lassen, vermutlich (leider) auch.