Fernsehen Fernsehen: Harald Schmidt über seine neue Zukunft
Berlin/dpa. - Wenn jemand dies aber noch einmal tun sollte, somüsste die Sendung aus Berlin kommen. Im Interview äußert er sichauch zu seiner neuen ARD-Show ab September, weiteren Plänen und zuder allgemeinen Situation von Satire und Kabarett in Deutschland.
Was erwartet den Fernsehzuschauer in Ihrer neuen Show?
Schmidt: «Titel und Einzelheiten darf ich noch nicht verraten,Spannung muss sein. Aber jeder, der das Fernsehgeschäft kennt, kannsich doch an fünf Fingern abzählen, wie die Show aussehen wird. Wirkommen wöchentlich donnerstags um 22.45 Uhr auf den Bildschirm,jeweils mit einem Gast.»
Würde Sie auch eine politische Talkshow reizen?
Schmidt: «Nein, um Gottes Willen, keine Sekunde denke ich daran. Dazufehlt mir die Kompetenz, ein Satz, den Sie selten von einemFernsehschaffenden hören, ich meine ihn auch nicht ehrlich, aber erklingt wahnsinnig gut.»
Ist der Wind auch für Satiresendungen im Fernsehen rauer geworden?
Schmidt: «Ich bin in solchen Höhen, wo überhaupt kein Wind mehr weht.Auch die Nervosität von ARD-Oberen erreicht mich nicht. Und was dieQuoten angeht, muss ich definitiv sagen: Ich hatte nie die Quote, dieman von mir erwartet hat. Ich glaube, ich bin der einzige Moderator,der völlig jenseits von Quotendiskussionen seiner Arbeit nachgeht.»
Bietet die Finanzkrise Stoff für die Satire oder ist das Realsatire?
Schmidt: «Der Begriff Realsatire ist dumm, den Erfinder sollte maneinsperren. Jeder weiß, dass Satire eine Kunstform ist und dass eskeine "Realsatire" gibt. Bei der Finanzkrise muss man als Kabarettistnur die eigene Ahnungslosigkeit thematisieren. Arcandor ist ein Name,den ich bis vor kurzem überhaupt nicht kannte. Jetzt wimmelt es vonExperten, davor von Airbus- oder Schweinegrippe-Experten. Ich selberbegreife das alles gar nicht und das ist mein Thema.»
Unterscheiden Sie zwischen Kabarett und Comedy?
Schmidt: «Ein solcher Unterschied war für mich nie ein Thema. Ichbezeichne mich als Kabarettist. Für mich gibt es eine Pointe, undwenn die gut ist, lachen die Leute. Das ist die Kunstform, die ichmache. Wie die von anderen bezeichnet wird, ist mir egal.»
Ist Berlin für Sie ein «gutes Pflaster» für Satire?
Schmidt: «Berlin ist eine absolut großartige Stadt mit unglaublichenEnergien, das spüre ich täglich, wenn ich hier durch die Straßengehe. Und wenn man in Deutschland noch mal eine tägliche TV-Late-Night-Show machen würde, dann müsste die selbstverständlich ausBerlin kommen, das ist doch völlig klar. Am besten aus einem altenTheater.»
Würden Sie dafür noch mal «in die Bütt» steigen?
Schmidt: «Nein, das tue ich mir nicht mehr an. Für kein Geld der Weltbin ich bereit, das noch mal zu machen. Das Leben möchte ich nichtmehr führen. Wobei ich der einzige bin, der es kann, und das wirdauch so bleiben, vor allem intellektuell. Es hat mir großen Spaßgemacht.»
Was planen Sie als nächstes im Theater?
Schmidt: «Ich führe Regie zusammen mit Christian Brey bei derInszenierung der Lehar-Operette «Die Lustige Witwe» in Düsseldorf.Premiere ist am 4. Dezember. Ich freue mich wahnsinnig darauf. Dasist eine der drei großen Operetten neben der «Fledermaus» und dem«Pariser Leben». Und wenn man zum ersten Mal eine Operetten- oderOpernregie angeboten bekommt, muss man sofort zugreifen.»
Was tut Harald Schmidt für die «persönliche Entschleunigung»?
Schmidt: «Ich habe keinen Laptop, keinen Blackberry, das geht. Ichgehe ins Internet-Café, wenn ich was wissen will und rufe meine e-mails nur einmal in der Woche ab. Ich weigere mich komplett, michdiesem Infoterror auszuliefern. Als leidenschaftlicher Zugfahrergenieße ich es, den modernen Sklaven zuzusehen mit ihren Handys,Laptops auf dem Schoß und Stöpseln im Ohr, das ist dieKomplettversklavung.»
Was lesen Sie privat für Bücher?
Schmidt: Zuletzt «Humboldts Vermächtnis» von Saul Bellow, davor «EineFrau mit Möglichkeiten» von Louis Auchincloss über die sogenanntefeine Gesellschaft der Reichen, und davor habe ich das«Kommunistische Postskriptum» von Boris Groys in Zusammenarbeit mitRené Pollesch gelesen. Außerdem lese ich Peter Sloterdijks neuestesBuch «Du musst dein Leben ändern», allerdings quer kapitelweise jenach Thema. Der Taxifahrer übrigens in Berlin, der mich zum Sendergefahren hat, ich glaube ein Kurde, hatte das Buch auf seinemBeifahrersitz liegen, hörte rbb-Kulturradio und las das Buch in denFahrpausen. Auch das ist Berlin.»