Nahost-Konflikt Farbangriff auf Wohnhaus von Berliner Kultursenator
Erst vor wenigen Tagen ist Kultursenator Chialo bei einer Veranstaltung beleidigt und bedrängt worden. Nun gibt es einen Angriff auf sein Wohnhaus.
Berlin - Berlins Kultursenator Joe Chialo ist erneut Ziel von Attacken im Kontext der Auseinandersetzungen zum Gaza-Krieg geworden. Auf das Wohnhaus des CDU-Politikers wurde ein Farbangriff verübt. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung übernommen, wie die Polizei mitteilte. CDU-Parteichef Friedrich Merz sprach von einem „völlig inakzeptablem Vorgang“. Auch Politiker anderer Parteien verurteilten den Angriff scharf.
Nach Angaben der Berliner Polizei wurde die großflächig verteilte Farbe an Chialos Wohnhaus in Pankow am Morgen festgestellt. Zudem wurden zwei Schriftzüge hinterlassen, wovon einer einen Bezug zum Gaza-Krieg hat: „Genocide Joe Chialo“ (deutsch: Völkermord Joe Chialo). Der andere spielt offensichtlich an Entscheidungen der von Chialo geführten Kultursenatsverwaltung an und lautet „Meet The Demands“ („Kommt den Forderungen nach“), wie der „Tagesspiegel“ berichtete. Erst vor wenigen Tagen war der CDU-Politiker bei einer Veranstaltung bedrängt worden.
Entsetzen in der Politik
CDU-Chef Merz sprach von einer schweren Straftat, die „offensichtlich von palästinensischen und linken Kräften in Berlin“ zu verantworten sei. Merz, den die Führungsgremien der CDU zuvor als Kanzlerkandidat gebilligt hatten, forderte die Berliner Polizei auf, konsequent zu ermitteln. „Dass ein Mann wie Joe Chialo hier in Berlin Rassismus vorgeworfen wird, nur weil er sich für die Existenz des Staates Israel und für den Schutz von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in dieser Stadt einsetzt, ist wirklich in jeder Hinsicht inakzeptabel“, so Merz.
Chialo wertete den Angriff als ein klares Signal „eines radikalen Milieus, einer kleinen Gruppierung, die versucht, ihre Meinung mit Gewalt durchzusetzen“. Seit dem ersten Vorfall habe er Personenschutz, seine Adresse sei nicht einfach zugänglich. „Die Täter müssen mich beobachtet haben. Das zeugt von erheblicher krimineller Energie“, sagte der Kultursenator im Interview der „Süddeutschen Zeitung“.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) reagierte schockiert: „Der Angriff auf das Wohnhaus von Joe Chialo überschreitet jede Grenze. Er zeigt, dass sich die Täter damit für jegliche Diskussion disqualifizieren“, teilte Wegner bei der Onlineplattform X mit.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht in derartigen Angriffen eine Gefahr für die Demokratie. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unserer demokratischer Diskurs von Hass, Gewalt und Polarisierung zerstört wird“, betonte die Grünen-Politikerin. „Die mutmaßlich von israelfeindlichen Gruppen begangenen Straftaten zeigen nicht nur die geistige Armseligkeit dieses Milieus, sondern auch seine Gefährlichkeit für die Demokratie“, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bestürzung und Solidarität von vielen Seiten
Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte: „Wer Politiker und ihre Familien bis hin zu ihrem Zuhause bedroht, der hat sich aus jeder demokratischen Auseinandersetzung verabschiedet. Solche Taten sind ein Ausdruck von Hass und Gewalt und der Versuch, Angst zu schüren.“
Die SPD-Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel sprachen von einer durch nichts zu rechtfertigen und „unentschuldbaren Grenzüberschreitung“. „Die Täterinnen und Täter versuchen die Auseinandersetzung des Gaza-Konflikts nach Berlin zu tragen und machen mit solchen Einschüchterungsversuchen die Propaganda-Arbeit der Hamas.“
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, verurteilte die Farbattacke: „Wir verurteilen die Angriffe, Diffamierungen und Einschüchterungsversuche gegen Senator Chialo. Hier werden die Grenzen der demokratischen Auseinandersetzung überschritten, das geht nicht, ohne Wenn und Aber.“
Die Vorsitzende AfD-Fraktion, Kristin Brinker, meinte: „Leider zeigt diese Attacke, wie schon die verbalen Angriffe auf Chialo vor rund einer Woche, aber auch, wie groß und aggressiv das antisemitische Milieu in Berlin mittlerweile ist.“
Vor wenigen Tagen bereits massiv bedrängt
Der Kultursenator war erst vor wenigen Tagen von propalästinensische Aktivisten bei einer Veranstaltung bedrängt und beleidigt worden. Er verließ das Gelände schließlich unter Polizeischutz. Der CDU-Politiker war als Vertreter des Senats am 12. September bei der Wiedereröffnung des Zentrums für Kunst und Urbanistik in Berlin-Moabit und sollte die Eröffnungsrede halten.
Als er begonnen hatte, sammelten sich rund 40 Personen am Rednerpult vor dem Eingang des Gebäudes. Nach Angaben der Polizei trugen sie größtenteils sogenannte Palästinensertücher, skandierten verbotene Parolen und beleidigten den Senator. Schließlich umringte die Menschenmenge Chialo. Laut Polizei wurde auch Pyrotechnik gezündet und ein Mikrofonständer, der auf der Treppe zum Rednerpult gestanden hatte, in Richtung des Senators geworfen. Dieser traf seine direkt vor dem Senator stehende Frau.
Kritik an geplanter Antisemitismusklausel
Chialo hatte Ende vergangenen Jahres für eine sogenannte Antisemitismusklausel harsche Kritik aus der Kulturszene geerntet. Mit der Klausel sollten Empfänger öffentlicher Fördergelder unter anderem zum Bekenntnis gegen Antisemitismus verpflichtet werden. Kritiker sahen die Kunstfreiheit gefährdet. Inzwischen ist der Vorschlag des CDU-Politikers vom Tisch. Der Berliner Senat sucht nach einer anderen Lösung, mit der eine Auszahlung von staatlichen Fördermitteln an Verfassungsfeinde verhindert werden kann.
Zuletzt stand Chialo in der Kritik, weil sein Ressort nach Antisemitismus-Vorwürfen die Förderung eines Kulturzentrums gestoppt hatte. Der Regierende Bürgermeister Wegner betonte nach dem Angriff auf den Senator, wichtig sei, die „dahinter liegenden Strukturen aufzubrechen“. Eine Demokratieklausel sei darum bei der Vergabe staatlicher Mittel dringend notwendig. „Deshalb: Kein Steuergeld für Demokratiefeinde“, betonte Wegner bei X.
Steinmeier will mehr Aufmerksamkeit für Opfer politischer Gewalt
Unterdessen forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mehr Aufmerksamkeit für die Opfer politisch motivierter Gewalt und weniger Beachtung der Täter. „Politische Gewalt ist in der Demokratie niemals ein legitimes Mittel“, sagte er vor Bekanntwerden des jüngsten Vorfalls bei einem Runden Tisch im Schloss Bellevue. „Es ist notwendig, dass wir diesen Konsens neu bekräftigen. Denn politisch motivierte Gewalt ist alltäglicher in Deutschland geworden, und – ebenso schlimm, finde ich – auch die Akzeptanz von politischer Gewalt nimmt zu.“