Überschwemmungen Experte: Kommunikationsdefizit bei Hochwasservorsorge
Aufgeweichte Deiche, überschwemmte Straßen und vollgelaufene Keller: Das großflächige Ausmaß des Hochwassers etwa in Niedersachsen ist für manchen überraschend. Ein Experte widerspricht: Viele Informationen seien längst bekannt. Er sieht ein Versäumnis an anderer Stelle.
Hannover - Die aktuelle Hochwasserlage zeigt laut Experten Kommunikationsdefizite im Hochwasserschutz in Deutschland auf. „Dass das großflächige Ausmaß solcher Hochwasser eintreten kann, ist bekannt - seit mindestens 15 Jahren“, sagte der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen an der Leibniz Universität Hannover, Torsten Schlurmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Informationen sind alle da, wir haben aber ein Kommunikationsproblem in der Hochwasservorsorge.“ Behörden, Wissenschaft und auch die Politik, hätten versäumt, besser zu Hochwasserrisiken zu kommunizieren.
Andere Länder, wie etwa die Niederlande, seien besser aufgestellt, sagte Schlurmann. Dort sei die Bevölkerung über Hochwasserrisiken aufgeklärter und in der Hochwasservorsorge sowie im Wasserrückhalt in der Fläche weiterentwickelt, da auch der Handlungsdruck infolge der tief liegenden Küstengebiete größer sei.
Seit 2007 gebe es durch die Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie der EU eine Vorgabe an die Mitgliedsländer, Hochwassergefahren und dadurch erkennbare Überflutungsrisiken etwa an Flüssen zu identifizieren und zu bewerten, sagte der Professor für Wasserbau und Küsteningenieurwesen. Seitdem müssten EU-Länder solche Gefährdungen kalkulieren und in Gefahren- und Risikokarten darstellen und öffentlich kommunizieren. Solche Karten seien öffentlich einsehbar.
„Wir haben versäumt, uns intensiv in diese Warnkarten hineinzudenken und darüber zu diskutieren und daraus prioritäre Schutzziele zu formulieren“, sagte Schlurmann. „Wenn man in solche Gefahrenkarten reinschaut, zum Beispiel für die Gemeinde Lilienthal bei Bremen, dann ist es frappierend, wie ähnlich diese Simulationen im Vergleich mit der heutigen Krisenlage aussehen. Die großflächigen Überschwemmungen sind da nahezu eins zu eins abzulesen.“
Das Besondere an der aktuellen Lage sei, dass es Hochwasser großflächig an vielen Flüssen und Orten gleichzeitig gebe, sagte Schlurmann. Die Lage dauere über Tage an, da das Wasser kaum abfließen könne. „Solche Hochwasserereignisse werden wir verstärkt durch den Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten häufiger erleben - leider“, sagte der Wissenschaftler.