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SPD-Politiker Ex-Bürgermeister von Hamburg: Henning Voscherau verstorben

24.08.2016, 12:15
Henning Voscherau war von 1988 is 1997 Bürgermeister von Hamburg.
Henning Voscherau war von 1988 is 1997 Bürgermeister von Hamburg. epa Scanpix Sweden

Für viele Hamburger war Henning Voscherau die Verkörperung eines Hanseaten: überaus korrekt, ein wenig kühl und distanziert. Sein Auftreten wirkte auf Oppositionspolitiker durchaus auch arrogant.

„Als Großstadtbürgermeister braucht man Fleiß, Härte und Präzision“ zitierte der Senat am Mittwoch ihren ehemaligen Bürgermeister. Er ist im Alter von 75 Jahren in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch an den Folgen eines Hirntumors gestorben. Der Hansestadt hinterlässt Voscherau ein bedeutendes Erbe: den neuen Stadtteil Hafencity an der Elbe.

Das Haar silbrig weiß, helle Augen und auch als „Rentner“ ein noch immer jugendliches Gesicht, so bleibt Voscherau in Erinnerung. Dass der promovierte Jurist 1997 einen Schlussstrich unter seine politische Karriere zog, hinderte ihn nicht, sich weiter einzumischen, mal mehr, mal weniger öffentlich - etwa in der Drogenpolitik, beim umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg oder für weitere Elbvertiefungen.

Die Bundesnotar-Ordnung nötigte den promovierten Juristen im Alter von 70 Jahren dazu, seinen geliebten Beruf 2011 an den Nagel zu hängen. Natürlich kam das für den umtriebigen Sozialdemokraten zur Unzeit. „Plötzlich“ musste er - seit 1974 Notar - sich eine neue Beschäftigung suchen, wechselte deshalb umgehend von seinem Notariat am Alstertor zur Bürogemeinschaft seines Sohnes, des Immobilienanwalts Carl Christian Voscherau, um dort als Berater im Grunde weiterzumachen wie bisher.
Voscherau, der von 1982 bis 1997 die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft führte, war 1988 ins Amt des Ersten Bürgermeisters gewählt worden und folgte auf den nicht minder hanseatischen Sozialdemokraten Klaus von Dohnanyi. Er nannte sich „eine Leihgabe der Notare an die Demokratie, und zwar eine befristete“. Zehn Jahre später gab er diese zurück: 1997 erreichte die SPD weniger als 38 Prozent und unterschritt damit Voscheraus „Schmerzgrenze“.

In die SPD war der Spross einer Hamburger Schauspielerfamilie 1966 eingetreten. In der Partei nahmen Voscherau etliche die konsequente Haltung beim Rücktritt übel. Wohl auch deshalb brachte er nicht wirklich einen Fuß auf den Boden, als er sich als „Joker“ für die SPD- Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl 2008 anbot und Zweifel schürte, ob das SPD-Personal in Hamburg für die Ablösung von CDU-Bürgermeister Ole von Beust tauge. Das Einverständnis seiner Familie vorausgesetzt, sei er bereit zur Kandidatur, erklärte der verheiratete Vater von drei Kindern damals.

Voscherau, am 13. August 1941 in Hamburg geboren, galt als enger Freund von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD, 1918-2015) und dessen Ehefrau Loki (1919-2010). Der Ex-Bürgermeister war es, der im Hamburger Michel die Trauerrede auf Loki, Erfinderin der „Blume des Jahres“, hielt und damals dem Altkanzler beistand. „Helmut, Du musst uns Freunden helfen festzustellen, wie wir Dir jetzt helfen können“, mahnte er. Geschliffene Reden, auch aus dem Stegreif, zeichneten ihn aus.

Voscherau - Träger der Bürgermeister-Stolten-Medaille - ist es unter anderem zu verdanken, dass die Hafencity, eines der größten europäischen innerstädtischen Entwicklungsprojekte, angegangen wurde. „Es war (...) Voscherau, der den Startschuss für die Rückkehr der Stadt an den Hafen gegeben hat“, sagte der amtierende Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Voscherau sei für viele innerhalb und außerhalb Hamburgs „ein wichtiger Ratgeber und ein bedeutender, hoch angesehener Repräsentant der Stadt“.
Doch nicht jeder war erfreut, als sich Voscherau 2012 auf Vorschlag des russischen Energieriesen Gazprom zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Gasprojekts South Stream wählen ließ.

Zuvor war bereits sein Bruder, der frühere BASF-Chef Eggert Voscherau, bis 2009 Aufsichtsrat bei der Nord Stream AG gewesen. South Stream sollte eigentlich Gas von Russland durch das Schwarze Meer nach Südeuropa pumpen. Das Projekt wurde jedoch im Dezember 2014 von Russlands Präsident Wladimir Putin gestoppt.
Kurz darauf übernahm Voscherau in Deutschland den Vorsitz der neuen Mindestlohnkommission, nachdem er zuvor bereits Schlichter war bei Tarifverhandlungen zwischen der Telekom und der Gewerkschaft Verdi. Wegen einer schweren Kopf-Operation musste Voscherau den Kommissionsvorsitz bereits im April 2015 wieder abgeben. Danach wurde es stiller um den gebürtigen Hamburger. (dpa)