Justiz EU-Staatsanwaltschaft erwartet deutlichen Verfahrensanstieg
Berlin/Luxemburg - Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) erwartet für 2023 einen deutlichen Anstieg der Ermittlungsverfahren. Er gehe davon aus, dass sich deren Zahl nahezu verdoppeln werde, sagte der stellvertretende Europäische Generalstaatsanwalt Andrés Ritter am Donnerstag in Berlin. Ein Grund dafür sei die zunehmende Bekanntheit der Behörde, die seit Juli 2021 grenzüberschreitend in 22 EU-Staaten tätig ist. Die Anzahl der Strafanzeigen, die die EUStA von den nationalen Behörden bekomme, ist nach Angaben Ritters um 50 bis 60 Prozent gestiegen. 2022 lagen der europäischen Behörde nach eigenen Angaben 3318 Strafanzeigen vor und es gab 1117 Ermittlungsverfahren.
Die EUStA ist als unabhängige und dezentrale Behörde befugt, Straftaten gegen den EU-Haushalt strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Im Fokus steht dabei Kriminalität, mit denen zu Unrecht Subventionen oder Aufträge der EU erlangt werden sowie Zolldelikte und Umsatzsteuerbetrugssysteme. Durch Korruption und Subventionsbetrug verliert die EU jährlich geschätzt 500 Millionen Euro Haushaltsmittel.
Anliegen sei, „das Geld der EU zu schützen“, erläuterte Ritter, der Europäischer Staatsanwalt für Deutschland ist. Er ist organisatorisch für die sogenannten Delegierten Europäischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Deutschland zuständig. Diese ermitteln direkt von Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München aus. Derzeit sind in den sogenannten Zentren 11 Juristinnen und Juristen tätig, ihre Anzahl soll sich auf 21 erhöhen. Die Zentrale der EUStA ist in Luxemburg.
Das Besondere an der neuen Behörde ist vor allem, dass sie grenzschreitend tätig werden kann. Es sind keine umständlichen und zeitaufwendigen Rechtshilfeersuchen in den jeweiligen Ländern nötig. Vielmehr sind die europäischen Mitarbeiter vor Ort und koordinieren Maßnahmen wie etwa Durchsuchungen, bei denen dann nationale Behörden wie die Polizei oder Zollfahnder im Einsatz sind.
Laut Generalstaatsanwalt Ritter hat die Behörde bislang 87 Anklagen erhoben, von denen 20 zu rechtskräftigen Verurteilungen führten (Stand: 31.12.2022). Es soll nach Schätzungen der Ermittler ein Schaden von 14,1 Milliarden Euro entstanden sein. In Berlin läuft seit Ende September ein Prozess gegen eine mutmaßliche Bande, die ein Netzwerk von Scheinfirmen aufgebaut und im Handel mit Luxuskarossen sowie medizinischen Masken rund 80 Millionen Euro Umsatzsteuer hinterzogen haben soll.