Fahndung nach Erpresser Erpresser: Fünf Gläschen Babynahrung mit Äthylenglykol vergiftet

Konstanz - Mit vergifteten Lebensmitteln will ein Unbekannter Millionenbeträge von deutschen Supermarkt-Ketten erpressen. Vergiftete Nahrungsmittel, darunter Babynahrung, seien bisher nur in Friedrichshafen am Bodensee gefunden worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Betroffen waren demnach fünf Gläschen. Die Ermittler gehen zwar davon aus, alle vergifteten Gläser entdeckt zu haben. Es sei jedoch falsch, sich nur auf Babynahrung zu konzentrieren.
Der oder die Unbekannten gingen skrupellos vor, sagte ein Polizeisprecher. „Wir nehmen den Täter ernst.“ Die betroffenen Geschäfte waren nach dpa-Informationen in einer Erpresser-E-Mail benannt worden. Es sei gedroht worden, 20 verschiedene Lebensmittel zu vergiften, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Alexander Boger bei einer Pressekonferenz in Konstanz.
Zweistelliger Millionenbetrag wird gefordert
Den Ermittlern zufolge wurde ein zweistelliger Millionenbetrag erpresst. Laut „Bild“-Zeitung handelt es sich um zehn Millionen Euro.
Als Schadstoff bei der Lebensmittelerpressung wurde den Behörden zufolge Äthylenglykol verwendet worden. „Es wurde in die Nahrung eingerührt“, sagte Ministerialrätin Petra Mock. Es handele sich um eine klare, süß schmeckende Flüssigkeit. „Schon 30 Milliliter sind bei Erwachsenen gesundheitsgefährdend“, sagte sie. Äthylenglykol müsse aber nicht tödlich sein, wenn rechtzeitig ärztlich dagegen vorgegangen werde, sagte Mock.
In dem Schreiben, das der Erpresser den Konzernen und auch der Polizei zukommen ließ, hatte der Täter zuvor angekündigt, Produkte in Lebensmittel- und Drogeriemärkten im In- und Ausland zu manipulieren. Diese wolle er mit einer Substanz vergiften. In dem Schreiben sprach er konkret auch Märkte in Friedrichshafen an, wie die dpa erfuhr.
Mutmaßlicher Täter ist ca. 50 Jahre alt
Die Behörden veröffentlichten ein Foto eines dringend Tatverdächtigen. Es handele sich um einen etwa 50 Jahre alten Mann mittlerer Größe mit schlanker, sportlicher Statur, sagte Polizeivizepräsident Uwe Stürmer. Der Mann habe „eventuell zur Tarnung“ eine Brille getragen. Besonders auffällig sei ein weißer Sohlenrand an den Sportschuhen des Abgebildeten. „Bei dem Mann handelt es sich sehr wahrscheinlich um den Giftausbringer.“
Bisher seien mehrere hundert Hinweise auf den mutmaßlichen Täter eingegangen.
Die Polizei bat Kunden um besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit. Es drohten „sehr ernsthafte Gesundheitsgefahren bis hin zum Tod“, sagte ein Polizeisprecher. Die Menschen sollten auf manipulierte Produkte achten und die Polizei informieren. Es gebe aber keinen Grund für Panik und Hysterie.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verlangte generell eine rasche Kommunikation. „Verbraucher sollten so schnell wie möglich über Probleme mit Lebensmitteln informiert werden, gerade wenn eine Gefahr für Leib und Leben bestehen könnte“, sagte der Sprecher Niklaas Haskamp. Er fügte hinzu: „Wir können das im konkreten Fall nicht bewerten, da wir keinen Einblick in die Ermittlungsvorgänge und möglichen Gründe für den geplanten Veröffentlichungszeitpunkt haben.“
Zum Gift
Ethylenglycol (veraltet auch Äthylenglycol) ist eine sirupartige Flüssigkeit. Es ist sowohl farb- als auch geruchslos. Der Stoff ist giftig und greift nach dem Verschlucken zunächst das Zentrale Nervensystem an, dann das Herz und schließlich die Nieren. In größeren Mengen kann Ethylenglycol tödlich sein. Das Anwendungsgebiet von Ethylenglycol ist recht breit. Es kommt beispielsweise als Frostschutzmittel zum Einsatz. Auch in der Industrieproduktion spielt es eine Rolle.
Es ist nicht der erste Fall
mmer wieder drohen Erpresser damit, Lebensmittel zu vergiften. Supermarktketten wie Lidl, Aldi und Rewe sind betroffen, aber auch Hersteller geraten ins Visier von Verbrechern. Einige Fälle der vergangenen Jahre:
Juli 2017:
Das Landgericht Bonn verurteilt einen Rentner zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der 74-Jährige hatte Haribo mit der Vergiftung von Gummibärchen gedroht. Außerdem erpresste er die Unternehmen Lidl und Kaufland. Er forderte eine Million Euro in der Internet-Währung Bitcoin.
Zudem begann in Dortmund der Prozess gegen zwei 45 und 46 Jahre alten Männer. Sie sollen mit Gift versetzte Gläser mit Brotaufstrich in mehreren Lidl-Filialen deponiert haben. Sie forderten fünf Millionen Euro in Bitcoins vom Unternehmen.
März 2017:
Ein 38-Jähriger wird vom Landgericht Kiel wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hatte auf Schulhöfen mit Insektiziden vergiftete Marzipanherzen ausgelegt. Damit wollte er von der Handelskette Coop drei Millionen Euro erpressen, zahlbar in der digitalen Währung Bitcoins.
Oktober 2015:
Ein 38-jähriger Mann wird vom Landgericht Köln wegen versuchter Erpressung der Supermarktkette Rewe zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hatte 15 Millionen Euro gefordert und dem Konzern gedroht, Lebensmittel zu vergiften.
Mai 2013:
Ein 61-Jähriger wird wegen versuchter Erpressung des Lebensmitteldiscounters Aldi-Süd vom Landgericht Duisburg zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte per E-Mail 15 Millionen Euro gefordert und mit vergifteten Lebensmitteln gedroht.
Juli 2010:
Das Landgericht Aachen verurteilt einen Erpresser des Marmeladen-Produzenten Zentis zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft. Er hatte damit gedroht, vergiftete Marmelade in den Handel zu bringen, und 500 000 Euro verlangt.
Januar 2010: Wegen versuchter Erpressung des Süßigkeitenherstellers Ferrero wird ein Kneipenwirt aus dem Sauerland zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Der Mann hatte 2008 ein Päckchen mit vergifteten Pralinen und Nougatcreme an die Firma geschickt. Er verlangte 950 000 Euro.
(dpa)