Erfurt Erfurt: Gedenken an Opfer des Amoklaufs am Gutenberg-Gymnasium

Erfurt/dpa. - Die bewegende Gedenkfeiermit mehreren hundert Menschen begann kurz vor 11 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt fielen am 26. April 2002 die ersten Schüsse im Schulhaus.Mehrere hundert Menschen, darunter Absolventen des Gymnasiums undPolitiker wie Thüringens Kultusminister Jens Goebel (CDU), nahmen ander Veranstaltung teil. An der Gedenktafel mit den Namen derGetöteten wurden Kränze niedergelegt; Schüler lasen Gedichte überTrauer, Liebe und Verlassensein vor.
Wuchtige Glockenschläge hallen über den Platz vor demJugendstilgebäude. Viele der jungen Leute halten einander an denHänden oder stehen eng umschlungen vor der großen Freitreppe. Dortsind für die Opfer - zwölf Lehrer, zwei Schüler, die Sekretärin undeinen Polizisten - Blumenschalen und auf einer Art Altar 16 großeKirchenkerzen aufgestellt.
Schulleiterin Christiane Alt wendet sich in einer kurzen Ansprachean die Abiturienten dieses Jahres: «Werden Sie liebevolle Eltern,werden sie wachsame Eltern», mahnt sie. «Helfen Sie mit, dass Elternihre Kinder angstfrei in die Schule schicken können.»
Im US-Bundesstaat Virginia hatte es vor eineinhalb Wochen einenAmoklauf mit insgesamt 33 Toten gegeben. Alt sprach den Angehörigender Opfer das aufrichtige Mitgefühl der Schüler und Lehrer desGutenberg-Gymnasiums aus.
Als der Trauersong «Nur zu Besuch» der Toten Hosen eingespieltwird und eine Stimme aus dem Off die Namen der Opfer einspricht, sindviele mit ihrer Beherrschung am Ende. Immer wieder brechen Mädchen inTränen aus, werden von anderen in den Arm genommen und getröstet,worauf sie später wieder lächeln können. Einer der beidenerschossenen Schüler war Fan der Rockband gewesen. Die Toten Hosenhatten seinerzeit kurz darauf einen Auftrittstermin in Erfurt, densie aber wegen des Massakers verschoben.
Zum Abschluss defilieren die Teilnehmer an der Gedenktafel vorbei,um den Toten die Ehre zu erweisen. Die Erwachsenen legen Blumennieder und - besonders rührend - die jüngeren Schüler selbstgemalteBilder.
Der erste Jahrestag nach dem Massaker war noch einmal mit riesigerBeteiligung der Öffentlichkeit begangen worden. Seither erinnert dieSchule - auch auf ihren Wunsch hin - weitgehend im eigenen Kreis andas schreckliche Geschehen. Der Charakter des Gedenkens werde sichzwangsläufig in den kommenden Jahren weiter wandeln, hatteSchulleiterin Alt zuvor gesagt. Denn die Zeugen des Blutbades werdenam Gymnasium immer weniger. Heute sind es neben dem Großteil derLehrer nur noch die Schüler der 10., 11. und 12. Klassen. «Baldbewahren nur noch die Lehrer die Erinnerung», meinte Alt.
Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD), selbstAbsolvent des Gymnasiums, sagt am Rande der Veranstaltung, inDeutschland seien zu wenig Konsequenzen aus dem Töten an der ErfurterSchule gezogen worden. Er spricht sich unter anderem dafür aus, dasWaffenrecht weiter zu verschärfen. «Mir wird es ewig unbegreiflichsein, dass eine Privatperson eine Waffe besitzen kann. Dem müsste maneinen Riegel vorschieben.» Denn ohne Schusswaffen wären Verbrechendieser Größenordnung nicht möglich. Zwei seiner früheren Lehrer seienbei dem Blutbad umgekommen. Auch ein schärferes Vorgehen beiGewaltcomputerspielen sei denkbar. «Aber dennoch», fügt ernachdenklich hinzu. «Nichts erklärt diese Tat.»

