Erdrotation Erdrotation: Wieviel Einfluss hat der Drei-Schluchten-Damm?
Frankfurt/Main/dapd. - Die Erde hat sich im Jahr 2010 um eine Winzigkeit schneller gedreht, als es Geowissenschaftler erwartet haben. «Eine Schaltsekunde, wie zuletzt beim Jahreswechsel 2008/2009, entfällt dieses Silvester», sagt Wolfgang Dick vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt am Main.«Wir staunen selbst etwas über die momentane Rotationsgeschwindigkeit der Erde», gesteht der Astronom, «denn inder Tendenz verliert unser Planet an Tempo beim Drehen.»
Gegenüber einer von Menschenhand konstruierten unbeirrbartickenden und fast perfekt genauen Atomuhr verliert unser Erdball in1.000 Tagen etwa eine Sekunde. Das hat alle zwei bis drei Jahre zurFolge, dass nach unseren modernsten Zeitmessern zwar ein Tag - einevollzogene Erdrotation - Vergangenheit ist, aber unser Planet nochdie Dauer eines Wimpernschlags benötigt, um die Drehung zuvollenden. «Um diese Differenz auszugleichen, hat quasi perBeschluss die letzte Minute eines Jahres dann nicht 60, sondern 61Sekunden», erläutert Astronom Dick.
Zwtl: Rotationstempo der Erde lässt nach
Erdball und Atomuhren rotieren und ticken dann wieder imGleichklang. Der Beschluss, ob beide Akteure zu synchronisierenseien oder nicht, ergeht weltweit. Zuständige Instanz ist derInternationale Erdrotationsdienst IERS (International Earth Rotationand Reference System Service), ein Zusammenschluss ausGeowissenschaftlern und Astronomen von Observatorien, Behörden undInstituten aus rund 50 Ländern. Verwaltungssitz des IERS ist dasFrankfurter BKG. Mit sechs Kollegen aus dem Bundesamt koordiniertDick den Datenaustausch aller global beteiligten Fachgremien.
«Als wir Silvester 2008 zuletzt eine Schaltsekunde einführten,glaubten wir, es würde Ende 2010 wieder so weit sein», berichtetDick. Das Rotationstempo der Erde lässt stetig nach, hauptsächlichwegen der bremsenden Anziehungskraft des Monds - aufgrund dieserWechselwirkung werden sich beide Himmelskörper in rund 15 MilliardenJahren nur noch still anschauen. «Aber das ist ein Effekt auf langeSicht», erklärt Dick. «Zwischenzeitlich bewirken andere FaktorenSchwankungen des Drehimpulses.»
Zwtl. Effekte nicht vorhersagbar
Großen Einfluss hat die Erdatmosphäre mit ihren Hoch- undTiefdruckgebieten, unterschiedlich verdichteten, auch in ihremWassergehalt variierenden Luftmassen, deren Schwere wechselndeFliehkraft entwickelt. «Ein weiterer Faktor ist die Reibwirkung vonEbbe und Flut am Meeresboden, quer zur Erdachse», ergänzt Dick. «Jenach Erwärmung unterschiedlich ausgedehnte Ozeanmassen beeinflussenebenso die Rotation.» Keiner dieser Effekte lässt sich vorhersagen,und bei allem dreht sich der Erdmantel noch um einen flüssigenPlanetenkern.
Selbst den riesigen Wassermassen des inzwischen vollgelaufenen Drei-Schluchten-Damm am Jangtsekiang in China rechnen Geowissenschaftler Einfluss auf die Erdrotation zu. «Wir können das Tempo der Drehbewegung unserer Erde nicht prognostizieren, aber messen», sagt der Astronom. Messergebnis für 2010: Die Erde rotierte flotter als 2009, Schaltsekunde derzeit nicht nötig. Eine Vorhersage für 2011 wagen die Geowissenschaftler nicht.
Aber die Rotationsforscher erwägen, die Schaltsekundeabzuschaffen, weil der kleine Zeitsprung immer wiederSoftwareprobleme bei unterschiedlichsten computergestütztenAnwendungen bereitet. In internen Mitteilungen an seine Fachgremienhat der IERS bereits ein Szenario entworfen, bei dem ab 2015 dieatomuhrgesteuerte Weltzeit von der tatsächlichen astronomischen Zeitabgekoppelt wird. Erst bei einer Differenz von 60 Minuten würde derIERS dann eine Korrekturschaltung verfügen. Das wäre ungefähr imJahr 2600 der Fall. Dann würde sich der Jahreswechsel um eine Stundeverschieben.