Erdogan besucht Brandort in Ludwigshafen
Ludwigshafen/dpa. - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den deutschen Rettungskräften für ihren Einsatz bei der Brandkatastrophe in Ludwigshafen ausdrücklich gedankt.
«Wenn es das große Engagement der Polizei und Feuerwehr nicht gegeben hätte, wäre der Schmerz noch größer gewesen», sagte er am Donnerstag in Ludwigshafen, wo er gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) den Brandort besuchte. «Unsere Trauer soll eine stille Trauer sein», sagte Erdogan. «Unser Schmerz ist unermesslich, unsere ganze Nation trauert unermesslich.»
Der türkische Regierungschef sagte weiter: «Trotz allem darf man nicht vergessen, dass uns eines eint: Wir sind alle Menschen.» Erdogan betonte: «Natürlich ist es unser Wunsch, dass die Ermittlungen sehr sorgfältig und sehr schnell durchgeführt werden.» Beck sicherte Erdogan zu, dass alles für die Aufklärung der Hintergründe des Brandes getan werde. «Das Unglück wird uns nicht auseinanderbringen. Wir sind in Trauer vereint», sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident.
Erdogan wollte an dem weitgehend zerstörten Wohnhaus einen Kranz niederlegen. Vor dem Brandort hatten sich weit mehr als 1000 Menschen versammelt, die meisten von ihnen Türken. Bei der Brandkatastrophe in dem von türkischen Familien bewohnten Haus waren am Sonntag neun Menschen ums Leben gekommen, 60 wurden verletzt. Ob das Feuer auf Brandstiftung oder einen technischen Defekt zurückgeht, ist bislang ungeklärt.
Insbesondere in der Türkei wird darüber spekuliert, dass die Katastrophe einen ausländerfeindlichen Hintergrund haben könnte. Als Indizien dafür gelten die Aussagen von zwei Mädchen, die einen Mann am Tatort beobachtet haben wollen, sowie rechtsradikale Schmierereien, die in dem ausgebrannten Eckhaus entdeckt wurden. Außerdem wurde auf das Haus im August 2006 ein Anschlag verübt.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Frankenthal indessen dämpfte Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch bei den Ermittlungen. «Wir werden einfach Geduld haben müssen», sagte Oberstaatsanwalt Lothar Liebig der Deutschen Presse-Agentur dpa. Am Abend wollen die Ermittler über den Stand ihrer Arbeit informieren, in die auch türkische Beamte eingeschaltet sind.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte in der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» vor falschen Verdächtigungen und Pauschalurteilen. Mit Blick auf die Reaktionen in der Türkei sagte der Innenminister: «Wir fühlen uns genauso betroffen, dass neun Menschen ums Leben gekommen sind, die bei uns gelebt haben. Wir sind in unserer Betroffenheit über Todesopfer nicht von der Staatsangehörigkeit abhängig.» Auch Beck rief dazu auf, keine Vorurteile zu schüren. Zugleich setzte sich der SPD-Chef gegen Kritik zur Wehr, wonach er einen Anschlag zu früh ausgeschlossen habe.
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte, die Politik täte sehr gut daran, in keine Richtung zu spekulieren, sondern die Experten zunächst einmal ihre Arbeit machen zu lassen. «Das gilt ganz besonders und in erster Linie für türkische Parteien und Politiker.» Grünen-Chefin Claudia Roth sagte ebenfalls: «Wir brauchen Besonnenheit und Vertrauen in die Arbeit der Behörden.» Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, mahnte zur Zurückhaltung. Für die These, es könne sich um einen Anschlag handeln, sei es «zu früh», sagte er im Südwestrundfunk.
Kritik am Besuch Erdogans äußerte die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Lale Akgün. Erdogan stehe zu Hause unter Druck, weil er das Tragen von Kopftüchern an den Universitäten zulassen wolle. «Er braucht ein Thema, mit dem er auch erfolgreich dastehen kann», sagte sie in Deutschlandfunk.