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Energie Energiebranche sieht sich für kommenden Winter gewappnet

Beim Thema Industriestrom lässt sich Ministerpräsident Weil vom Kanzler nicht bremsen. Auf dem Tennet-Netzgipfel wirbt er weiter für die Vergünstigung. Mit Blick auf den kommenden Winter gibt es von den Energieunternehmen Entwarnung.

Von dpa 23.08.2023, 16:13
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in Lehrte.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in Lehrte. Julian Stratenschulte/dpa

Lehrte - Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erhöht im Streit um einen verbilligten Industriestrom den Druck. „Wir müssen darauf dringen, dass es in Berlin zu einer klaren und richtigen Entscheidung kommt“, sagte er am Mittwoch beim Netzgipfel des Fernleitungsbetreibers Tennet in Lehrte bei Hannover. Dass sich nach der FDP auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt ablehnend geäußert hat im Gegensatz zu den Grünen, sieht Weil nicht als Absage: „Das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen.“

Die Entlastung beim Strompreis sei schlicht erforderlich, um energieintensive Betriebe im Land halten zu können, sagte Weil. „Sonst muss man bereit sein, in Schönheit zu sterben. Das will ich nicht.“ Die Vergünstigung müsse aber auf Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf beschränkt bleiben und nur befristet gelten. „Zwei Jahre werden dafür nicht reichen. Um Planungssicherheit zu schaffen, brauche ich zehn Jahre.“

Mit Blick auf die Energieversorgung im kommenden Winter zeigten sich Teilnehmer des Treffens zuversichtlich, dass es zu keinen bedrohlichen Engpässen kommen werde. „Der nächste Winter ist ähnlich herausfordernd wie der letzte“, sagte Tennet-Vorstand Tim Meyerjürgens, der zu dem Treffen eingeladen hatte. „Aber anders als im letzten Jahr sind wir deutlich besser vorbereitet.“ Die Gasspeicher seien gut gefüllt, und es seien zusätzliche Leitungskapazitäten aufgebaut worden.

„Ein kalter Winter kann uns schon vor gewisse Herausforderungen stellen“, räumte die Chefin des Hannoveraner Versorgers Enercity, Susanna Zapreva, ein. Doch anders als nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahr sei man nun auf mögliche Engpässe vorbereitet. „Deshalb gehe ich mit einem deutlich besseren Gefühl in den nächsten Winter.“ Für den Fall von Engpässen gebe es nun klare Notfallpläne. „Das ist aber eine Lage, die ich nicht erwarte. Wir gehen nicht davon aus, dass es weiterer Abschaltungen bedarf.“

Tennet hatte zum ersten Mal zum Netzgipfel nach Lehrte eingeladen, wo die deutsche Tochter des niederländischen Konzerns eine ihrer beiden Schaltleitungen für das deutsche Stromnetz betreibt. Mit Blick auf die derzeit laufenden Verhandlungen über eine Verstaatlichung des deutschen Tennet-Netzes zeigte sich Meyerjürgens zuversichtlich. „Wir sind im Moment in sehr guten konstruktiven Gesprächen. Wir sind zuversichtlich, dass wir dort vorankommen.“

Weil unterstützte die Idee. Er sei immer froh, wenn wichtige Infrastruktur in deutscher Hand sei. „Alles, was dazu beiträgt, ist hilfreich.“ Das Land selbst werde sich aber nicht an Tennet beteiligen. „Niedersachsen ist in dieser Hinsicht nicht interessiert.“

Der niederländische Staatskonzern hatte im Februar angekündigt, mit dem deutschen Staat über den Verkauf seines deutschen Stromnetzes verhandeln zu wollen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich offen für den Vorstoß. Hintergrund ist der hohe Investitionsbedarf im Zuge der Energiewende. Das könne das niederländische Staatsunternehmen allein nicht mehr stemmen, hieß es.

Allein im ersten Halbjahr hatte Tennet 3,5 Milliarden Euro investiert. „Im Gesamtjahr rechnen wir damit, dass es 7,5 Milliarden werden“, sagte Meyerjürgens. „Und das ist erst der Anfang.“ Allein der Bau der großen Nord-Süd-Trasse Suedlink von Heide in Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg, der im September beginnen soll, werde weitere zehn Milliarden Euro kosten, von denen rund die Hälfte auf Tennet entfalle.

Die Entscheidung des Bundes, dass die 700 Kilometer lange Trasse komplett unterirdisch mit Erdkabeln verlegt werden muss, habe das Projekt dabei deutlich verteuert und im Zeitplan zurückgeworfen, kritisierte Meyerjürgens. „Wir haben dadurch drei Jahre verloren.“ Und der Preis habe sich mehr als verdreifacht. Und das werde am Ende der Stromkunden zahlen müssen. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Bau nun wie geplant bis 2028 abgeschlossen werden könne.