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Edgar Hamann erzählt: Als Osterburg einst zum Festival nach Venedig eingeladen wurde „Eigentlich wollte ich zum Film“

Kunsterzieher Edgar Hamann lockt mit seinem Lebenswerk in eine Ausstellung ins Kreismuseum Osterburg. Was ihn inspiriert hat und was er jungen Künstlern mitgeben möchte.

Aktualisiert: 14.01.2025, 10:37
Edgar Hamann aus Osterburg hat ein Faible für alte Kameras.
Edgar Hamann aus Osterburg hat ein Faible für alte Kameras. Foto: Astrid Mathis

Osterburg. - Er sagt: Es ist Handwerk. Doch sein Talent ist unübersehbar. Edgar Hamann aus Osterburg (Kreis Stendal) hat als Kunsterzieher nicht nur jahrzehntelang zu Kreativität animiert, sondern selbst eine riesige Sammlung an Kunstwerken geschaffen. Ein Teil davon ist bis zum 16. Februar 2025 im Kreismuseum Osterburg zu sehen.

Man könnte glatt behaupten, der Sinn fürs Künstlerische sei ihm in die Wiege gelegt worden. Und zwar in dem Haus, in dem Edgar Hamann heute noch wohnt und das Licht der Welt erblickte. Im Elternhaus in der Werderstraße als zweitältester Sohn von fünf Kindern geboren, sieht er sich als Ur-Altmärker, denn schon die Großmutter seines Vaters lebte in der Altmark. „Mein Vater Heinrich war selbst Malermeister und ein begnadeter Landschaftsmaler. Mutter Louise wollte Modistin werden und stammt aus dem Wartegau, also Reichenbach, und kam 1918 nach dem I. Weltkrieg erst in die Niederlausitz und dann nach Biederitz bei Magdeburg“, beginnt Hamann. „Nach dem Krieg hat sie uns alle Sachen eigenhändig genäht.“

Es liegt in der Familie

Noch heute bewundert er die gestochene Handschrift seines Vaters. Bruder Bodos Fertigkeiten blitzten nicht nur auf, wenn er im Schmuckgeschäft Gravuren „zauberte“, denn zeichnen konnte er, dass ihm der jüngere Edgar gern über die Schulter schaute. Wenn seine Schwester Helga ihm einen Brief schreibt, bekommt heute noch der Postbote etwas geboten, denn sie ist Kalligraphin und gibt den Umschlägen Farbe und Schwung.

Für den altmärkischen Schriftsteller Eckhard Erxleben illustrierte Edgar Hamann ein Gedichtband. Hier ein Haiku über einen Baum.
Für den altmärkischen Schriftsteller Eckhard Erxleben illustrierte Edgar Hamann ein Gedichtband. Hier ein Haiku über einen Baum.
Foto: Astrid Mathis

„Zeichnen ist wie Sprache“, sagt Edgar Hamann. „Man muss es lernen, um mit Genuss lesen zu können.“ Nie wird er vergessen, wie ein Schüler in seiner Zeit in Goldbeck sagte, dass es ihm auf einmal Spaß macht, Porträts zu zeichnen. Und warum? „Weil ich“s kann“, bekam der Kunsterzieher zur Antwort. Ein anderer verriet ihm, dass er seine Freude daran hat, in Sütterlin-Schrift zu schreiben.

Hamann hatte in Schönschreiben eine Drei und bedauert trotzdem, dass es das Fach nicht mehr gibt. „Ich bin Linkshänder und wurde erzogen, mit rechts zu schreiben“, erzählt der Osterburger. „Irgendwann sollte ich die Urkunden für das Sportfest ausfüllen. Das war derselbe Lehrer, der mir vorher eine Drei gegeben hat.“

Kunsterzieher Edgar Hamann aus Osterburg hat eine Ausstellung im Kreismuseum Osterburg und beweist Humor.
Kunsterzieher Edgar Hamann aus Osterburg hat eine Ausstellung im Kreismuseum Osterburg und beweist Humor.
Foto: Astrid Mathis

Mit Bewertung hat es Hamann nicht so. „Ich kann Perspektiven, Proportionen und Farbgebung beurteilen und zensiere die Erfüllung einer Aufgabe, mehr nicht“, bemerkt der frühere Kunsterzieher. Er hält es eher mit folgendem Zitat: „Phantasie haben, heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, aus den Dingen etwas zu machen.“ Und noch ein Vers entspricht seiner Auffassung: „Ich brauchte 34 Jahre, um zu lernen, es in ein paar Sekunden zu zeichnen.“

Der letzte Spruch erklärt, warum ein Bild von der Seehäuser Kirche in seinem Wohnzimmer hängt. Der Auftraggeber wollte am Ende nur 20 Mark dafür geben. So viel zum Thema „Kunst kann man nicht messen“.

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„Eigentlich wollte ich zum Film. Wir alle“, haut Hamann plötzlich heraus. Von seinem Vater wünschte er sich eine Exa zu Weihnachten. Die hegt und pflegt er bis heute. Daneben steht die Exacta, eine Kamera, die 1.141 Mark kostete, drei Monatsgehälter, zuletzt die Pentacon Six. Der 78-Jährige war in der 7. Klasse, als er im Pionierhaus in Osterburg beim Film einstieg. Später übernahm er die Trick- und Titelabteilung. Wolfgang Tiede war Kameramann, Axel Tiede regelte den Ton: „Alles selbst gebaut.“ Im Ferienlager hatte Edgar Hamann 1958 das Filmstudio Gladigau kennen und lieben gelernt. Das Studio kam mit dem damaligen Lehrer nach Osterburg an die Wilhelm-Pieck-Oberschule, heute Grundschule Hainstraße. Als Hamann 1961 zur EOS ging, war er längst mittendrin. Sein Vorteil: dass er schon vorher mit einer Kamera gearbeitet hatte.

Die Ästhetik von Schiffen hat es Edgar Hamann aus Osterburg (Kreis Stendal) angetan. Seit er 1967 in Vitt/Rügen an einem Kunstpraktikum teilgenommen und alte Kapitänsbilder für sich entdeckt hat, malt er Schiffe in allen Farben.
Die Ästhetik von Schiffen hat es Edgar Hamann aus Osterburg (Kreis Stendal) angetan. Seit er 1967 in Vitt/Rügen an einem Kunstpraktikum teilgenommen und alte Kapitänsbilder für sich entdeckt hat, malt er Schiffe in allen Farben.
Foto: Astrid Mathis

In der AG Zoo im Pio schlug für ihn die Geburtsstunde als Tierfotograf und Zeichner. „Unser Spielfilm ’Der Herr Sohn’ mit Hans Lehmann in der Hauptrolle hat es bis zum Amateurfestival nach Venedig geschafft“, erzählt Hamann. „Zeitschriften wie ’Die Rakete’ haben sich für uns interessiert, aber ich bin froh, dass ich nicht zum Film gegangen bin.“

Mit seiner Fotokamera hielt Edgar Hamann aus Osterburg den Kuppelabbau von St. Nicolai um 1980 fest.
Mit seiner Fotokamera hielt Edgar Hamann aus Osterburg den Kuppelabbau von St. Nicolai um 1980 fest.
Foto: Edgar Hamann

Die Kombination Kunst und Geschichte erschien ihm erstrebenswerter, bliebe als Lehrer doch in der Freizeit Luft für Malerei und Fotografie. Bei der Aufnahmeprüfung an der Humboldt-Universität zu Berlin musste er vor den Augen der Prüfer beweisen, dass er etwas auf dem Kasten hat. Hat er. Die letzte Zeichnung, aus Zeitgründen „nur“ eine Karikatur, - drei Arbeiter beladen einen Lkw-Anhänger -, überzeugte auch den Letzten, obgleich er nicht wie ein typischer Kunststudent – langer Mantel, Schal, Barrett - daherkam. „Ich habe schon Feuer gefangen, als mein Vater Transparente schreiben musste. Da habe ich mir was abgeguckt, aber meine Schwester Helga noch mehr.“

Seine erste Zeit als Lehrer verbrachte er in Arendsee, seine Frau Gaby als Bio- und Chemielehrerin studierte in Potsdam und war in Osterburg an der WPO beschäftigt. Für Edgar Hamann hießen die Stationen Arendsee, Kleinau, Flessau, Goldbeck, Erxleben, Seehausen und alle Schulen in Osterburg, ehe er 1983 an der EOS, dem heutigen Gymnasium, landete. Viel konnte man mit dem Beruf zu DDR-Zeiten nicht verdienen, verrät Hamann. Er wusste, sich anders zu helfen, wie zu seiner Zeit bei der Armee, wo er sich in einer Nachrichtenkompanie als Wandzeitungsredakteur regelmäßig Sonderurlaub verdiente.

Nach dem Kuppelabbau von St. Nicolai in Osterburg ein Blick von den Werderwiesen auf die Stadt.
Nach dem Kuppelabbau von St. Nicolai in Osterburg ein Blick von den Werderwiesen auf die Stadt.
Foto: Edgar Hamann

Fotoserie über den Verfall

Er fotografierte Osterburg allein über 100 Mal im Jahr 1980, dokumentierte den Verfall, wie er sagt, und entwickelte alles selbst, damals eine Seltenheit. Damit hat er als Zeitzeuge eine Sammlung von unschätzbarem Wert. Firmenlogos, für Feuerwehren und Sportvereine bis zum Wappen des Landkreises Stendal stammen aus der Feder von Hamann.

Im Kreismuseum Osterburg stellt Edgar Hamann auch Magazine zu Veranstaltungen der OCG aus. In diesem Jahr soll es eine Neuauflage anlässlich der 50. Saison geben.
Im Kreismuseum Osterburg stellt Edgar Hamann auch Magazine zu Veranstaltungen der OCG aus. In diesem Jahr soll es eine Neuauflage anlässlich der 50. Saison geben.
Foto: Edgar Hamann

Gerade ist er dabei, mit der Osterburger Carnevalsgesellschaft anlässlich der 50. Saison eine Zeitschrift zu gestalten, wie er sie in den Anfangsjahren beigesteuert hatte. Er kann Grafiken, Federzeichnungen, Öl und Aquarell - jetzt malt er hauptsächlich in Acryl, weil es wasserlöslich ist. „Bei Aquarell kannst du dir keinen Fehler leisten“, weiß er und gibt heranwachsenden Künstlern einen Tipp: „Bei der Prüfung gib' ihnen alles, was sie wollen. Danach kannst du machen, was du willst.“ Sein „Schrei“ nach Edvard Munch hängt bei der Nichte.

Edgar Hamanns derzeitige Ausstellung muss nicht die letzte sein. „Ich habe Material für eine ganze Fotoausstellung über Osterburg“, so der Künstler.