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Film zur Vorabendserie Düstere Themen: Hamburgs „Großstadtrevier“ in Spielfilmlänge

Normalerweise geht es in den Krimis von der Waterkant heiter zu. Doch der zweite „Großstadtrevier“-Spielfilm kreist um ein dubioses Krankenhaussystem und die Seelennot einer erfahrenen Polizistin.

Von Ulrike Cordes, dpa 06.01.2025, 11:52
Die Crew der „Großstadtrevier“ bekommt ihren zweiten Fernseh-Film. (Archivbild)
Die Crew der „Großstadtrevier“ bekommt ihren zweiten Fernseh-Film. (Archivbild) Christian Charisius/dpa

Hamburg - Die beliebte ARD-Vorabendserie „Großstadtrevier“ erzählt nicht gerade die ganz harten Krimigeschichten. Statt um Schwerverbrechen geht es bei den Fällen aus Hamburg oft um fast menschlich zu nennende Verfehlungen, die mit flotten Sprüchen und auch sonst einer guten Dosis Humor aufgeklärt werden. 

Nicht so im ergänzenden Spielfilm „Großstadtrevier: Im Moment der Angst“, der am Montag (6. Januar) um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Denn der 90-Minüter – der zweite nach „Großstadtrevier – St. Pauli, 06.07 Uhr“ von 2021 – ist geprägt von Düsternis.

Triage - die Auswahl in der Notaufnahme

Ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem und die seelische Dünnhäutigkeit einer Polizistin bilden die Themen, mit denen der Film bei einigen Abstrichen insgesamt überzeugt. Genauer gesagt geht es um Triage, die ethisch schwierige Auswahl von Erkrankten oder Verletzten für die Behandlung in der Notaufnahme - innerhalb eines wirtschaftlich orientierten Krankenhaus-Systems. 

Und um die Todesangst, die selbst eine erfahrene Zivilfahnderin wie Harry Möller (Maria Ketikidou) angesichts brutaler körperlicher Gewalt erfassen – und zu unprofessionellem Verhalten bewegen kann. „Ich mag am liebsten die Folgen, in denen es emotional um etwas geht und wo Harry auch noch mal mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen hat“, sagte Ketikidou im Herbst der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Harry wird bei Schlägerei am Hafen verletzt

Und damit bereits auch auf den Kern der aktuellen Sendung hingewiesen. Die Geschichte von Regisseur Florian Gottschick („Ein Fall für zwei“) nach dem Drehbuch von Andreas Kaufmann beginnt mit einer gnadenlosen Schlägerei sich benachteiligt fühlender junger Männer am Hafen. Als Harry mit der frischgebackenen Rettungssanitäterin Mirja (Franziska von Harsdorf) eingreift und beide dabei verletzt werden, kommen sie in die Notaufnahme eines Klinikums. 

Als es der Polizistin nach dort verbrachter Nacht besser geht und sie Mirja mit Blumen überraschen will, ist die als nicht akut gefährdet triagierte junge Frau tot. Und dafür macht der Vater, der Kranführer Tom Grabowski (Andreas Anke), Harry verantwortlich. „Wo waren Sie, als sie Hilfe brachte – und Schutz?“, klagt der verzweifelte Mann.

Verbrecherischer Umgang mit Patienten

Tatsächlich beweist ein Check der Videoüberwachung, dass Harry erst drei Minuten, nachdem sie vom Auto aus per Funk um Verstärkung gebeten hat, an den Ort des Kampfs zurückkehrt. Damit hat sie dort auch ihren Kollegen Nils (Enrique Fiß) im Stich gelassen. Was ist in diesem Moment mit ihr passiert? 

Harry, die ihre Kollegen eigentlich für ihr 35. Dienstjubiläum feiern wollen, fühlt sich schuldig und will den Fall unbedingt aufklären – obwohl rechtlich die Kripo zuständig ist. Bald muss sie noch um das Wohl ihres kleinen Sohns fürchten, der von Grabowski entführt wird. 

Entsetzen erfüllt die Polizistin auch, als sie im Krankenhaus hinter die Kulissen blickt. Der Chefarzt Dr. Torben Achs (Torben Liebrecht) erklärt ihr zwar, dass in der Notaufnahme jeder triagiert werde – das sei normal. Schließlich kämen manche Leute mit einem bloßen Schnupfen dorthin, da müssten die schweren Fälle natürlich Vorrang haben. 

Harry erkennt jedoch, dass wohl seit Längerem ein verbrecherischer Umgang mit Patienten besteht. Und dass der Chefarzt, der für Sparmaßnahmen in seinem Haus Boni kassiert, tatsächlich sehr an Geld interessiert ist – plant er doch den Bau eines noblen Eigenheims. 

Auch Ketikidou hat schlechte Erfahrungen gemacht

In der Person des aalglatten Achs sowie in der Schilderung der emotionalen Beziehung zwischen dem alleinerziehenden Vater Grabowski und seiner Tochter trägt der Film leider reichlich dick auf. Wettgemacht wird das allerdings durch die so intensive wie sensible Schauspielkunst Ketikidous als Harry im seelischen Ausnahmezustand. 

„Mein Anspruch ist immer eine wahrhaftige Darstellung, darum habe ich mich mit einer Psychologin getroffen und mir ein minutiöses Psychogramm der verschiedenen Stadien innerhalb des Handlungsbogens erarbeitet“, sagt die 58-Jährige laut den Senderinformationen zum Film.

Und sie fügt hinzu, dass sie mit dem Thema Triage bereits eigene Erfahrungen gemacht habe - als sie ihren Vater in ein Hamburger Krankenhaus bringen musste. Mit höllischen Schmerzen habe der 84-Jährige dort zwölf Stunden ohne ein Glas Wasser und eine Decke auf einem Stuhl ausharren müssen, bis er nachts um zwei endlich in ein Krankenzimmer kam.