Doppel-Geständnis Doppel-Geständnis: Wie in Leipzig aus Vermisstenfall ein Mordfall wurde

Leipzig - Es ist ein Szenario, wie ein Krimi-Autor es sich nicht besser ausdenken könnte. Leipzig, Ende April vorigen Jahres: Im Elsterflutbecken, einem Kanal mitten in der Stadt, entdeckt ein Spaziergänger eine grausam zugerichtete Frauenleiche - nur Torso und Kopf, die Gliedmaßen fehlen. Drei Monate später: In einem Baggersee im Leipziger Norden stoßen Schwimmer auf eine weitere zerstückelte Leiche, die Polizei findet kurz darauf einen dritten Toten. Vom „Stückel-Killer“ ist die Rede - treibt in Leipzig ein Serienmörder sein Unwesen? Schnell wird klar: Beide Fälle haben nichts miteinander zu tun. Der Doppelmord vom Baggersee ist längst aufgeklärt. Doch im Fall der Toten aus dem Kanal, der 43-jährigen Portugiesin Maria D., treten die Ermittler seit Monaten auf der Stelle. Nun aber scheint auch dieser Fall gelöst.
Leipzig-Lindenau, Dienstagvormittag. Ein uraltes, heruntergekommenes Abrisshaus, das Dach mit Kunststoffplanen bedeckt, Bauzäune, rot-weiße Absperrbänder. Spezialisten der Kriminaltechnik in weißen Anzügen durchkämmen das Grundstück und das Gebäude. Sie suchen nach Spuren eines weiteren Mordes: Am Montag hatten Ermittler in dem Haus eine Frauenleiche gefunden. Sie gehen davon aus, dass es sich um Anja B. handelt, eine seit November vorigen Jahres vermisste 40-Jährige aus Leipzig. Den Fundort hat ihr mutmaßlicher Mörder genannt - der zugleich auch Maria D. getötet haben will. Der Mann, 38 Jahre alt, aus Leipzig, habe beide Taten gestanden, sagt Ricardo Schulz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig. Am Dienstag wurde gegen ihn Haftbefehl erlassen.
Verblüffte Ermittler: Verdächtiger in Leipzig gesteht gleich zwei Morde
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft klingelten Polizisten am Montag an der Wohnungstür des mutmaßlichen Doppelmörders in Leipzig-Lindenau, nicht weit vom Fundort der Leiche entfernt. Im Gepäck: ein Durchsuchungsbeschluss. Was dann folgt, verblüfft selbst erfahrene Ermittler: Der Verdächtige gesteht nicht nur den Mord an Anja B. und verrät der Polizei, wo sie deren sterbliche Überreste finden kann. Er räumt auch ein, im April vorigen Jahres die Portugiesin Maria D. getötet zu haben. Womöglich knickt er schlicht ein, als die Ermittler vor seiner Tür stehen: Er habe beide Taten „unter dem Eindruck des Erscheinens der Polizei“ gestanden, sagt Oberstaatsanwalt Schulz, „das hat ihn wohl auch erleichtert“. Strafrechtlich ist der Mann bisher nicht aufgefallen. Medienberichte, wonach er sich selbst der Polizei gestellt hat, dementieren die Behörden.
In beiden Mordfällen war bisher getrennt ermittelt worden, einen Zusammenhang hatten die Beamten nicht gesehen. Schulz erklärt, warum: Die Taten lagen zeitlich weit auseinander - Maria D. verschwand im April, Anja B. im November. Bei Maria D. ging die Polizei schnell von Mord aus, der Fall Anja B. war zunächst nur ein Vermisstenfall. Erst im Laufe der Ermittlungen hätten sich ein Anfangsverdacht auf ein Tötungsdelikt und eine Spur zu dem am Dienstag inhaftierten Mann ergeben, so die Staatsanwaltschaft. Die genauen Todesumstände sind allerdings noch unklar. Die Leiche von B. soll nun obduziert werden.
Waren die beiden Frauen aus Leipzig zur falschen Zeit am falschen Ort?
Die einzige Gemeinsamkeit zwischen beiden Fällen: Beide Frauen waren zuletzt in Leipzig-Lindenau gesehen worden. Mussten sie sterben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren? Ihr mutmaßlicher Mörder jedenfalls hat seine Opfer wohl nicht näher gekannt. „Wir gehen davon aus, dass es sich um Zufallsbekanntschaften handelte“, sagt Oberstaatsanwalt Schulz. Deshalb sei der Mann im Fall der getöteten Portugiesin auch gar nicht in den Fokus der Ermittler gerückt. Sein Motiv ist in beiden Fällen völlig unklar. (mz)
