Deutscher Luftfahrtpionier Deutscher Luftfahrtpionier: "Otto Lilienthal hätte nicht fliegen dürfen"
Berlin - Fliegen, das war schon immer ein Menschheitstraum. Bereits seit der Antike versuchten Gelehrte ihn war zu machen. Doch erst Ende des 19. Jahrhunderts gelang es einem Tüftler nachweislich, endlich abzuheben. Sein Name war Otto Lilienthal. Bis heute gilt er als einer der größten Pioniere der Luftfahrt. Er baute erste Gleiter, forschte im Bereich der Aerodynamik und war selbst für die Gebrüder Wright, die das erste Motorflugzeug der Welt bauten, ein Vorbild.
Doch trotz seiner Erfolge fand sein Leben ein tragisches Ende. Bei einem seiner Testflüge stürzte er aus großer Höhe ab, verletzte sich schwer und starb kurz darauf. Der Grund für den Unfall war lange unklar. Doch nun haben Wissenschaftler des Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrums (DLR) die Ursache gefunden. Ihr Ergebnis stellten sie am Donnerstag auf der Internationalen Luftausstellung in Schönefeld vor.
Das Wetter am Unglückstag war äußerst ungünstig
„Lilienthal hätte am Unglückstag nicht fliegen dürfen“, sagt Andreas Dillmann, Leiter des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik. Das Wetter war am 9. August 1896 äußerst ungünstig. Ein Sonnebö genannter Aufwind habe den Gleiter in der Luft aufgerichtet und zu einem Strömungsabriss geführt. Ein Pilotenfehler also. Lilienthal hatte die Lage falsch eingeschätzt.
Sein Fluggerät hingegen war „eine aerodynamisch absolut saubere Konstruktion“ gewesen, sagt Dillmann. Es war in allen Flugbereichen „eigenstabil“, so die Forscher, konnte sich also bei einer Kursabweichung – verursacht durch Wind oder Steuerfehler – wieder selbst in Gleichgewicht bringen. In dieser Hinsicht war Lilienthal sogar den Gebrüdern Wright voraus. Ihr Fluggerät war in allen Fluggeschwindigkeiten äußerst instabil, so der DLR-Forscher.
Um das herauszufinden scheuten die Wissenschaftler keinen Aufwand. Sie ließen eine soweit es ging originalgetreue Rekonstruktion des Gleiters von Lilienthal bauen. Kleine Abstriche mussten die Handwerker bei den zum Teil schwer zu beschaffenen Materialen machen. Statt aus reiner Weide wurden Teile des Fluggerätes aus Abachi-Holz gefertigt. Und statt des originalen Stoffes für die Flügel kam ein Shirting-Stoff zum Einsatz. Über Monate werkelten Fachmänner an dem Fluggerät.
Vor wenigen Wochen ging es dann in die Niederlande nach Emmeloord. Dort wurde der 20 Kilo schwere Gleiter mit einer Spannweite von 6,70 Meter in einem Windkanal auf Herz und Nieren geprüft. Dazu gab es in Göttingen Schwerpunktversuche, um die Manövrierfähigkeit zu bestimmen.
Er schaute sich viel von der Natur ab
Von den Ergebnissen waren die Forscher selbst überrascht. „Es ist erstaunlich, ein wie gutes Flugzeug Lilienthal vor über 100 Jahren ohne die modernen Mittel, die wir heute einsetzen können, gebaut hat“, sagt DLR-Luftfahrtvorstand Rolf Henke. Mit seiner Erfindung konnte er, wenn er von einem 70 Meter hohen Hügel startete, bis zu 250 Meter weit gleiten. Vieles hätte sich der Luftfahrtpionier aus der Natur abgeschaut. Er studierte den Flug der Vögel und erkannte dadurch den Vorteil eines gewölbten Flügels. Bis heute würden Flugzeuge nach dem von Lilienthal erkannten Kriterien wie Luftwiderstand und Auftrieb gebaut.
Kein Wunder, dass der aus Pommern stammende Wahl-Berliner auch der erste Flugzeugfabrikant der Geschichte war. In Lichterfelde ließ er mindestens neun Exemplare seines Gleiters herstellen, die an Wagemutige auf der ganzen Welt verkauft wurden. Die Fluggeräte hatten bereits die Flugeigenschaften eines typischen Schul-Segelflugzeuges aus den 20er-und 30er-Jahren. „Konstruktionen, die Jahrzehnte nach Lilienthal flogen“, so Dillmann.