Extremismus Debatte über Wort „Islamismus“: Minister warnt vor Ablenkung
Die Berliner Jusos wollen den Begriff Islamismus nicht mehr nutzen, weil er die Religion stigmatisiere. Im Netz wird diskutiert. Forschungsminister und Experten haben Vorbehalte.

Berlin - Der geschäftsführende Bundesforschungsminister Cem Özdemir (Grüne) und Extremismusforscher zeigen sich grundsätzlich offen für eine Alternative zum Begriff Islamismus. Sie geben aber zu bedenken, dass eine Debatte über das Wort nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema verdrängen sollte. Bisher gebe es keine andere passendere Bezeichnung.
Berliner Jusos wollen auf Bezeichnung verzichten
Es spreche nichts dagegen, sich einen besseren Begriff zu überlegen, sagte Özdemir auf Nachfrage vor Journalisten in Berlin. Er warnte aber davor, „dass der Streit um den Begriff dazu führt, dass man sich mit dem Phänomen nicht mehr primär beschäftigt“. Der Minister erinnerte an die Debatte über sogenannte Clankriminalität. „Irgendwann redet man mehr darüber, wie man die Clans nennt, anstatt darüber, dass man die Clans mal entschieden bekämpft. Und das darf bitte schön nicht der Fall sein.“
Die Berliner Jusos hatten entschieden, die Bezeichnung nicht mehr zu verwenden mit der Begründung, eine ganze Religion werde stigmatisiert. Sie wollen künftig nur noch von „religiös-begründetem Extremismus“ ohne Bezug zu einer konkreten Religion sprechen. Im Netz wird darüber diskutiert.
Begriffsdebatte läuft seit Jahren
Der Terrorismusexperte Peter Neumann vom King's College in London sagte bei dem gemeinsamen Auftritt mit Özdemir, er kenne die Debatte seit 20 Jahren. Auch er zeigte sich offen für eine andere Bezeichnung. Allerdings hätten ihn die Alternativvorschläge, die es bisher gebe, nicht überzeugt. Der Begriff beschreibe das Problem relativ gut. „Bei Islamismus geht es darum, dass aus einem Glauben, aus einer Religion, eine politische Ideologie abgeleitet wird“, sagte Neumann.
„Es ist klar, was damit gemeint ist“
Der Extremismusforscher Julian Junk verwies ebenfalls auf eine lange Begriffsdebatte. Im Gespräch mit muslimischen Gemeinschaften würden andere Begriffe wie radikaler Islam oder politischer Islam als wesentlich problematischer empfunden. Mit dem Begriff Islamismus habe man sich ganz gut einigen können. „Es ist klar, was damit gemeint ist, und grundsätzlich, in der Wissenschaft halten wir nichts von begrifflichen Verbotsdebatten.“
Ministerium fördert Forschung mit Millionen
Anlass der gemeinsamen Pressekonferenz waren eine Bilanz und ein Ausblick zum Thema Islamismus-Forschung. Das Bundesforschungsministerium hat für Projekte in dem Bereich nach Angaben Özdemirs in den vergangenen fünf Jahren 15 Millionen Euro bereitgestellt. Ab dem kommenden Jahr sollen es für weitere Forschungsvorhaben erneut bis zu 15 Millionen sein. Projektskizzen könnten ab sofort eingereicht werden. Antragsberechtigt sind Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Vereine und Verbände.