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Regierungsbildung Das steht im Thüringer Brombeer-Koalitionsvertrag

Migration, Frieden, Bildung: Nicht bei allen Themen haben CDU, BSW und SPD leicht zueinander gefunden. Nun steht ein 126 Seiten langer Koalitionsvertrag.

Von dpa 22.11.2024, 16:09
CDU, BSW und SPD wollen in Thüringen zusammen regieren und haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt.
CDU, BSW und SPD wollen in Thüringen zusammen regieren und haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Bodo Schackow/dpa

Erfurt - Fast drei Monate lang haben Vertreter von CDU, BSW und SPD verhandelt, nun steht ein Koalitionsvertrag. Stimmen Parteigremien und Mitglieder zu, wird das Papier die Grundlage für eine künftige Landesregierung sein. Einige Kernanliegen der möglicherweise ersten Brombeer-Koalition in Deutschland:

Bildung

CDU, BSW und SPD wollen in Kindergärten Deutschtests für Fünfjährige einführen. Bei Defiziten soll noch vor der Einschulung mit Sprachförderung gegengesteuert werden. In der Grundschule wollen die drei Parteien dann eine sogenannte Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie für Kinder umsetzen. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler „die notwendigen Basis- und Kernkompetenzen in den Bereichen Mathematik und Deutsch erwerben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Fokus soll in der Grundschule auf dem analogen Lernen liegen. Hortgebühren sollen abgeschafft werden.

Für Kinder mit mangelnden Sprachkompetenzen und geringen Deutschkenntnissen sollen Deutschförderklassen eingerichtet werden. CDU, BSW und SPD bekennen sich zum gegliederten Schulsystem - etwa mit Gymnasium, Regelschule und Förderschule. Im Kampf gegen den Lehrermangel wollen die drei potenziellen Partner mehr Studienplätze für ein duales Lehrerstudium schaffen und die Lehrerausbildung modernisieren.

Krieg und Frieden

Für die Bildung der Koalition war das Thema Krieg und Frieden wohl eines der heikelsten, zumal es sich nicht um ein originäres Landesthema handelt. In der vor Wochen bereits verhandelten Präambel zum Vertrag steht: „Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.“

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hatte den Kompromiss als Fehler bezeichnet. CDU, BSW und SPD verhandelten dann noch einmal und schärften nach. Nun steht im Europa-Kapitel des fertigen Vertrages, man erkenne an, dass viele Menschen die Stationierung von Mittelstreckenraketen „als eine fundamentale Veränderung der strategischen und militärischen Lage“ in Europa und Deutschland begreifen. „Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch.“

Migration

CDU, BSW und SPD wollen nicht weniger als einen „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“. In der rot-rot-grünen Vorgängerregierung war SPD-Chef Georg Maier als Innenminister zuletzt auch für den Bereich Migration zuständig. „Wer keinen Schutzgrund hat, über seine Identität täuscht oder sich nicht an Regeln hält, insbesondere Straftaten begeht, muss unser Land wieder verlassen“, heißt es in dem neuen Brombeer-Koalitionsvertrag.

Demnach setzen sich CDU, BSW und SPD für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ein, „insbesondere um Marokko, Algerien und Tunesien“. Außerdem unterstütze man die EU-Asylreform. „Nur Personen mit Bleibeperspektive sollen in die Mitgliedstaaten gebracht werden“, steht im Vertrag, und: „Wir werden die irreguläre Einreise nach Deutschland reduzieren.“

Weitere Thüringer Sonderaufnahmeprogramme soll es nicht geben. CDU, BSW und SPD setzen zudem auf die Bezahlkarte für Geflüchtete und wollen Personen mit geringer Bleibeperspektive nicht auf die Kommunen verteilen. Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Suhl und Eisenberg wollen die drei potenziellen Partner schließen und Nachfolgelösungen finden, heißt es. Außerdem wollen sie eine zentrale Landesausländerbehörde schaffen, „die Aufnahme, Anerkennung von Berufsabschlüssen, Integration und Rückführung bündelt“.

Wirtschaft

Die mögliche Brombeer-Koalition will eine „Ermöglichungskultur“ schaffen, schreiben die drei Parteien in ihrem Vertrag. Schlagworte sind Entbürokratisierung, Digitalisierung und ein „investitionsfreundliches Grundklima“. CDU, BSW und SPD wollen einen Transformations-, Technologie- und Innovationsfonds schaffen und prüfen, ob tarifgebundene Unternehmen einen Förderbonus erhalten können. Die Meisterausbildung soll kostenfrei sein.

Bei Bürokratieabbau will die mögliche Koalition eine Acht-Wochen-Genehmigungsfrist einführen. Damit sollen Antragsverfahren, wo es möglich ist, beschleunigt werden.

Soziales und Gesundheit

Hausärzte und bestimmte Fachärzte sowie Apotheken sollen nicht weiter als 20 Minuten Fahrtzeit vom Wohnort entfernt liegen. Dafür wollen CDU, BSW und SPD mehr Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte im Gesundheitsbereich gewinnen. Es soll zudem mehr Studienplätze geben.

In der Pflege wollen die drei Parteien eine Online-Terminvermittlungsstelle für Kurzzeit- und Verhinderungspflege- sowie Langzeitpflegeplätze einrichten.

Auf Landes- und Bundesebene strebt die Brombeer-Koalition Verbesserungen für Menschen mit niedrigen Renten an. „Wir bekennen uns zu dem System der Grundrente in Deutschland“, heißt es im Vertrag. Eine Arbeitsgruppe soll einen Vorschlag zur Einführung eines landesseitigen Zuschusses für Grundrentnerinnen und -rentner erarbeiten.

Kultur

CDU, BSW und SPD wollen einen Familienkulturtag einführen. An einem Tag im Jahr sollen Familien kostenfreien Zugang zu staatlich geförderten Kultureinrichtungen bekommen. Bestehende Kultursemestertickets sollen auf ganz Thüringen ausgeweitet werden.

Landwirtschaft, Umwelt, Forst

Im Koalitionsvertrag der möglichen Brombeer-Partner steht, dass sie sich für den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen einsetzen wollen. Außerdem soll eine neue Agrarmarketinggesellschaft geschaffen werden. Aufgabe eines neuen Holzinnovationszentrums soll die „wissenschaftliche Erforschung und Weiterentwicklung neuer und innovativer Verwendungsmöglichkeiten von Holz, insbesondere im klimafreundlichen Holzbau, sein“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Beim Thema Umwelt soll ein Aktionsplan zur Belebung der Bach- und Flussauen auf den Weg gebracht werden. „Wir bekennen uns zum Pariser Klimaschutzabkommen und werden das Thüringer Klimaschutzgesetz überarbeiten“, steht in dem Koalitionsvertrag.