Steuerbetrug Cum-Ex-Verfolgung: Verein sieht Defizite
Cum-Ex war ein Steuerbetrug ungekannter Ausmaße: Finanzakteure brachten den Staat insgesamt um Milliarden. Seit 2021 steht fest, dass das eine Straftat war. Wie läuft die Aufarbeitung?
Berlin - Bei der Verfolgung von Cum-Ex-Steuerstraftaten sieht eine Nichtregierungsorganisation schwere Versäumnisse bei den Staatsanwaltschaften Hamburg und Stuttgart. „Die Staatsanwaltschaft Hamburg ist in Sachen Ermittlungen bei Cum-Ex und Cum-Cum als Totalausfall zu bezeichnen“, sagte der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick, am Dienstag in Berlin. In der Hansestadt gebe es drei Banken, die in die Machenschaften verwickelt gewesen seien. „Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat in keinem einzigen Fall Verantwortliche vor Gericht gebracht.“
Bei Cum-Ex handelt es sich um besonders schwere Steuerhinterziehung, die ihre Hochphase von 2006 bis 2011 hatte und den Fiskus Schätzungen zufolge einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet hat. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch hin- und hergeschoben. Ziel dieses Verwirrspiels war es, Steuern erstattet zu bekommen, die gar nicht gezahlt worden waren. Cum-Cum ähnelt Cum-Ex, auch diese Geschäfte gingen zulasten der Staatskasse und damit der Allgemeinheit. Nach einer jahrelangen Hängepartie kommt die Aufarbeitung des größten Steuerbetrugs der Bundesrepublik allmählich in die Gänge, eine zentrale Rolle spielt hierbei die Staatsanwaltschaft Köln.
Die bisherige Chefin der Kölner Cum-Ex-Ankläger, Anne Brorhilker, hatte zu Wochenbeginn überraschend gekündigt und ihren Wechsel zur Bürgerbewegung Finanzwende erklärt. Bei der Pressekonferenz der Bürgerbewegung am Dienstag war sie noch nicht dabei. Vergangenes Jahr hatte es Querelen um die Kölner Staatsanwaltschaft gegeben - Pläne zur Aufspaltung einer Hauptabteilung und damit zur Entmachtung Brorhilkers wurden aber wieder vom Tisch genommen. Ihr baldiger Finanzwende-Kollege Schick betonte, dass seine Kritik nicht der Kölner Staatsanwaltschaft gelte. Die sei bei Cum-Ex inzwischen gut aufgestellt und dort werde es künftig auch zu erfolgreichen Anklagen kommen.
Hamburg und Stuttgart seien hingegen Schwachpunkte, sagte Schick. In Baden-Württembergs Landeshauptstadt ermittle die Staatsanwaltschaft schon seit elf Jahren zu den folgenschweren Steuervergehen. „Bis heute ist es ihr nicht gelungen, die Verantwortlichen in der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bei Cum-Ex und Cum-Cum zur Rechenschaft zu ziehen.“ Das zeige, dass da etwas nicht funktioniere. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Schick appellierte an Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) und Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), etwas zu tun, „damit diese Staatsanwaltschaften anständig ihre Arbeiten machen“.
Als Reaktion auf die Kritik sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass die Dauer der Ermittlungen beim Cum-Ex-LBBW-Verfahren gemessen an der Komplexität des Sachverhalts nicht außergewöhnlich lang sei. „Das im Jahr 2013 eingeleitete Verfahren befindet sich seit Beginn kontinuierlich in Bearbeitung.“ Aktuell würden Unterlagen und Beweismittel von der Steuerfahndung ausgewertet. Zudem seien aufgrund von Einlassungen der Beschuldigten Nachermittlungen erforderlich. Ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens sei im laufenden Jahr beabsichtigt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart.