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Craig Newmark Craig Newmark: Mit craigslist.org zum Kleinanzeigen-Millionär

Von Barbara Munker 20.10.2006, 06:04

San Francisco/dpa. - Er ist einsilbig und meidet den Augenkontakt. Dass die US-Zeitschrift «Time» ihn zu den «100 einflussreichsten Menschen derWelt» zählt, wird man von ihm kaum erfahren. Newmark ist der Erfinderund Betreiber von Craig's List, einer Webpage, mit der Leute ihrgesamtes Leben organisieren. Bei www.craigslist.org gibt es alles:Zimmer, Mitbewohner, Jobs, alte Kleiderschränke, Katzen, Hundesitter,Wanderpartner, Liebhaber.

Mehr als zehn Millionen Menschen suchen jeden Monat ebenso vieleKleinanzeigen durch. Was 1995 mit einer Anzeigenrubrik für denGroßraum San Francisco begann, umspannt jetzt 52 Länder - vonArgentinien über Deutschland bis Vietnam. Vier Milliarden Mal wirddie Seite pro Monat angeklickt. Sie rangiert an siebter Stelle aufder Hitliste der weltweit populärsten Webseiten, gleich nach denInternetseiten von Rupert Murdochs Medien-Imperium News Corp. Dortarbeiten 38 000 Angestellte, Newmark hat eine Truppe von 22 Leuten.

«Es sieht aus wie in einer Bruchbude», meint Newmark, eher stolzals entschuldigend, bei einer Tour durch sein «Hauptquartier» ineinem Studentenviertel von San Francisco. Die Wohnzimmer einesviktorianischen Hauses dienen als Büros. Die Farbe blättert ab, diealte Holztreppe knarrt. Newmark teilt sein Büro mit dem zweitenMann bei Craig's List, Geschäftsführer Jim Buckmaster. 10 bis 20Millionen Dollar sollen die Betreiber im letzten Jahr verdient haben,schätzen Marktbeobachter, doch Newmark schweigt dazu. LukrativeKaufangebote, die aus ihnen über Nacht Multimillionäre machen würden,haben sie abgelehnt.

Fast alles auf Craigs's List gibt es zum Nulltarif. Nur wer in SanFrancisco, Los Angeles und New York Jobs inseriert, muss dafür eineGebühr zahlen. Zudem werden Wohnungsmakler in New York zur Kassegebeten. Newmark ist ein Idealist, der seinen Mitmenschen das Lebenein wenig leichter machen möchte. «Ich bekomme viele Dankesbriefe,von Leuten die eine Wohnung oder Freunde gefunden haben», freut sichNewmark. Den Vorwurf, das Anzeigengeschäft vieler Zeitungen durchseinen kostenlosen Service ruiniert zu haben, tut er mit einemSchulterzucken ab.

Auf den ersten Blick ist die Webseite so farblos wie ihr Erfinder.Einfach nur Rubriken in blauer Schrift auf weißem Grund. «Doch dasteckt eine Menge witziges und verrücktes Zeug drin», meintGeschäftsführer Buckmaster. «Eine nackte Bibelgruppe sucht neueMitglieder. Jemand will einen toten Waschbären gegen eine Sopranos-DVD tauschen. Besitzer diabetischer Katzen erteilen Ratschläge. Mankann alles finden und alles anbieten», sagt Buckmaster mit einemGrinsen. So sucht eine New Yorkerin unter der Überschrift «BilligesZimmer für extreme Katzenliebhaberin» eine Mitbewohnerin, die 17Katzen und entsprechend viel Dreck toleriert.

2005 wurde Berlin als erste deutsche Stadt bei Craigs's Listaufgenommen. Nach Frankfurt, München und Köln kam im Juni nochHamburg dazu. Wenn Nutzer neue Städte vorschlagen, werden sie auf dieListe gesetzt, vorausgesetzt die Anzeigen sind in Englischgeschrieben. Langfristig sind auch andere Sprachen geplant, aberdie Überwachung sei aufwendig und schwierig, meint Buckmaster.

Geradezu besessen checkt Newmark seine E-Mails und die Anzeigen.Als «Kundenbetreuer» greift er vermittelnd in hitzige Diskussionenauf der Forum-Seite ein und entfernt anstößige Angebote. Mit seinemkleinen Team vertraut er dem «selbstreinigenden» Mechanismus derHomepage. Beschweren sich eine Reihe Nutzer über eine Anzeige, dannwird sie automatisch gelöscht.

Für den eigenen Zweck macht Newmark von der Internetbörse nurselten Gebrauch. Ein paar Elektrogeräte habe er sich dort besorgt undsein zehn Jahre altes Auto verkauft, meint der Eigenbrötler. Es liegtihm fern, damit zu prahlen, dass die Webpage seinen Namen trägt. Daswar nicht seine Idee, sondern ein Vorschlag von Freunden. «Diemeisten Nutzer wissen gar nicht, dass es einen echten Craig gibt»,meint Newmark. «Und das ist mir so Recht.»