Comeback der Wuppertaler Schwebebahn
Wuppertal - Ein Wuppertaler kann die Schwebebahn erfühlen. Er weiß, wenn der nächste Zug kommt - noch bevor man etwas sehen oder hören kann. Er spürt das Vibrieren. „Eine leichte Erschütterung”, erklärt Winfried Stolzis (82) - und fügt sogleich hinzu: „Die Schwebebahn ist unser Schmuckstück.”
Deshalb ist dieser 1. August für die 350.000 Einwohner der bergischen Industriestadt ein Festtag: Nach achteinhalb Monaten Zwangspause ist die Schwebebahn zurück. Es rauscht wieder über den Köpfen.
Winfried Stolzis ist gebürtiger Elberfelder. Nie würde er sagen, dass er gebürtiger Wuppertaler ist. Denn die Stadt ist ein Zusammenschluss der früher selbstständigen Orte Elberfeld, Barmen, Ronsdorf, Cronenberg und Vohwinkel und wird erst seit 1930 „Wuppertal” genannt. „Als Dötzkes” - also Kinder - „hatten wir von Wuppertal noch nie gehört”, erinnert sich Stolzis. Erst die 1901 eröffnete Schwebebahn band die unterschiedlichen Städte zusammen. Manche sagen: Ohne die Schwebebahn gäbe es Wuppertal gar nicht.
Wie ein gigantischer Tausendfüßler windet sich die Stahlkonstruktion mit ihren 464 Beinen mehr als 13 Kilometer weit durch die Stadt. Errichtet wurde sie, weil der felsige Untergrund keine U-Bahn zuließ und in den engen Straßen der dicht bebauten, hügeligen Stadt auch keine Straßenbahn Platz hatte. So baute man sich eine „Himmelstram”. Damals, zur Kaiserzeit, muss sie wie aus einem Science-Fiction-Roman von H.G. Wells („Der Krieg der Welten”) gewirkt haben.
Die Schwebebahn gilt als äußerst sicher, doch im vergangenen November stürzte eine Stromschiene auf mehreren Hundert Metern Länge vom Trägergerüst ab. Zwar wurde niemand verletzt, doch der Betrieb wurde vorerst eingestellt. Die Stadtwerke bauten mehrere Sicherungen ein. Als Ersatz fuhren Busse, doch die sind lange nicht so schnell. Oder hat man schon einmal davon gehört, dass Busse rote Ampeln und Staus einfach überfliegen können?
Seit Donnerstag um 05.12 Uhr ist die Durststrecke ausgestanden. „Endlich!!”, steht auf einem Pappschild, das Achim Goldschmidt früh morgens im Bahnhof Vohwinkel hochhält. Die Wuppertaler atmen auf. „Die Schwebebahn gehört zu uns”, sagt Sabrina Lorenzet (37). Das können Karl-Heinz Hollerbach (70) und Bernd Fischer (74) in ihrem Stammcafé mit direktem Blick auf die Schwebebahn nur bestätigen. Hollerbach kann sich noch daran erinnern, dass er als Kind glaubte, jede Stadt habe eine Schwebebahn. „Erst später begriff ich, wie einzigartig das ist.”
Fischer machte als Kind oft einen Sonntagsausflug zur Schwebebahn. Nicht etwa, um selbst zu fahren - das war zu teuer - sondern nur um die Bahnen mit einer Bahnsteigkarte für zehn Pfennige einschweben zu sehen. Die „Kaiserwagen” hatten damals noch ein Erste-Klasse-Abteil mit gepolsterten Sitzen.
In jenen Tagen hörte man die Bahn schon von weitem quietschen und knattern. „Wenn sie in der vorigen Station abgefahren ist, haben im nächsten Bahnhof schon die Ketten angefangen zu wackeln”, schmunzelt Fischer. Stolzis bestätigt: „Die Schwebebahn war mein Wecker.” Heute dagegen hört man sie oft gar nicht mehr, so leise ist sie geworden.
Teilweise surren die hellblauen Wagen unmittelbar über den alten Schieferdächern der Stadt und haarscharf an den Straßenecken vorbei. Für Besucher ist es ein unwirklicher Anblick - wie eine mitten in die Stadt gebaute Achterbahn. Die Wuppertaler dagegen hatten ein komisches Gefühl, als die Bahn nicht gefahren ist. Jetzt ist wieder alles in Ordnung. Ist die Schwebebahn nicht auch ein Vorbild in Sachen Klimafreundlichkeit? Karl-Heinz Hollerbach wiegt den Kopf hin und her: „Da denkt hier kaum einer dran. Die Schwebebahn ist einfach da. Man nutzt sie, man kennt es nicht anders. Für die meisten Wuppertaler ist die Schwebebahn einfach ein zuverlässiges Verkehrsmittel.” (dpa)