1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Christian Elger im Interview: Christian Elger im Interview: Bonner Star-Mediziner verteidigt Großwild-Jagd

Christian Elger im Interview Christian Elger im Interview: Bonner Star-Mediziner verteidigt Großwild-Jagd

Von Joachim Frank 30.07.2015, 17:20
Ein totes Nashorn im Kruger National Park.
Ein totes Nashorn im Kruger National Park. dpa Lizenz

Köln - Professor Elger, Sie heilen Menschen. Warum töten Sie wilde Tiere?

Die legale, korrekt betriebene Großwildjagd in Afrika dient letztlich der Region. Die Scouts sind hochwertig ausgerüstet, um die Wilderei einzudämmen. Die Zahl der Tiere, die zum Abschuss freigegeben sind, ist streng reglementiert. Bei Löwen sind das in einem Gebiet von 50 mal 100 Kilometern vielleicht nur drei, vier Tiere, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Wie das in Simbabwe ist, kann ich nicht beurteilen.

Aber als ich selbst Großwild in Afrika gejagt habe, wurden am Ende alle Bewohner der Gegend zusammengeholt. Sie haben das Fleisch der erlegten Tiere mitgenommen, sodass praktisch nur noch deren Skelett übrig blieb. Aber man muss ehrlicherweise schon sagen, dass das letztlich nicht der Grund dafür ist, auf Großwildjagd zu gehen.

Individuelle Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier

Was ist dann der Grund?

Man will eine große Beute erlegen – als individuelle Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier. Das lässt sich eigentlich nicht vergleichen mit der Pirsch in heimischen Revieren, wo die Jäger mit dem Abschuss vieler Tiere – bei Rotwild zum Beispiel oft in einer Größenordnung von 30, 40 Stück pro Jahr – die Bestände kontrollieren. Das ist einfach nur Arbeit, das macht man ungern. Da hat man tatsächlich das Gefühl, man töte nur, um die Zahl der Tiere zu reduzieren. Aber das Jagen an sich ist etwas Archaisches, ein Instinkt, der tief in uns angelegt ist. Lesen Sie dazu die „Meditationen über die Jagd“ von José Ortega y Gasset!

Dem „Philosophen der Liebe“, ausgerechnet!

Auch er kommt zu dem Schluss, dass das Jagen zum Wesen des Menschen gehört. Einige leben das nicht in der ursprünglichen Form aus, weil sie es nicht möchten oder keine Gelegenheit dazu haben. Der Städter im 21. Jahrhundert geht dann halt auf Schnäppchenjagd und ergattert Dinge, die er im Endeffekt auch nicht lebensnotwendig braucht.

Eine Frage der Mentalität

Er tötet dafür aber nicht.

Das stimmt. Trotzdem hat das Jagen erst einmal nichts mit „Killerinstinkt“ zu tun, wie es dann oft polemisch heißt. Ich bestreite nicht, dass auch schlimme Dinge passieren, die ebenfalls nichts mit dem Jagen im eigentlichen Sinn zu tun haben.

Was meinen Sie?

Etwa dass Wildtiere mit valiumartigen Substanzen ruhiggestellt werden, um sie zur leichten Beute für den zahlenden Kunden zu machen. Bei südländischen Jägern habe ich es einmal erlebt, dass denen vor allem die Zahl der Beutestücke pro Tag wichtig war. Also, so etwas gibt es. Aber das muss nicht so sein. Es ist wohl auch eine Frage der Mentalität.

Was ist mit dem archaischen Instinkt bei denen, die Großwildjagd für empörend oder verabscheuungswürdig halten?

Das weiß ich nicht. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie nie selbst auf der Jagd waren, geschweige denn auf Großwildjagd. Das ist in erster Linie ein großartiges, unglaublich intensives Naturerlebnis. Wer Ernest Hemingways „Die Grünen Hügel Afrikas“ liest oder den Film „Jenseits von Afrika“ ansieht, der bekommt womöglich eine Ahnung davon, was ich meine. Mancher wird es trotzdem nicht nachvollziehen können. Vielleicht muss man am Ende akzeptieren, dass die einen dem erwähnten Urinstinkt nachgeben, andere nicht.

Unterschied zwischen Mensch und Tier

Es gibt noch einen anderen Urinstinkt: die Empathie. Blenden Sie die aus, wenn Sie auf die Jagd gehen? Empfinden Sie nichts für die Lebewesen, die Sie erschießen?

Ich bin Arzt und habe entsprechende Empathie für meine Patienten, die ich seit Jahrzehnten lebe. Ich denke, die Empathie zum Tier ist eine andere. Natürlich weiß ich, dass besonders Kinder sehr empfindlich reagieren, wenn sie miterleben, wie Tiere getötet werden. Ich selbst mochte in meiner Kindheit jahrelang kein Fleisch essen, nachdem ich im Familienurlaub auf einem Tiroler Bauernhof einmal dabei gewesen war, als die Sau geschlachtet wurde.

Eben! Der Urinstinkt.

Trotzdem sage ich: Es ist ein Unterschied zwischen Tier und Mensch. Die Spezies Mensch hätte überhaupt nicht überlebt, wenn sie nicht auf die Jagd gegangen wäre. Unsere Vorfahren vor 20 000, 30 000 Jahren mussten Tiere töten, wenn sie ihre Sippe am Leben erhalten wollten. Über die bloße Fleischbeschaffung hinaus ging es dabei auch um das Entstehen und Aktivieren eines Belohnungssystems, sodass der Jäger das Gefahrenmoment ausschalten konnte, das mit der Pirsch verbunden war – und auf der Großwildjagd übrigens immer noch ist. Einen Löwen in freier Wildbahn zur Strecke zu bringen, ist auch heute eine Hochrisiko-Veranstaltung.

Das Gespräch führte Joachim Frank