Chaos-Fahrt mit gestohlener Planierraupe Chaos-Fahrt mit gestohlener Planierraupe: Unbekannte walzen Tore und Zaun von KZ-Gedenkstätte platt

Langenstein-Zwieberge - Neben dem Eingangstor zu dem Stollensystem, in dem sich mehrere Hundert KZ-Häftlinge zu Tode geschuftet haben, liegt ein gelber Strauß Plastik-Tulpen. Er erinnert an zwei belgische Häftlinge des Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge. Während nur wenige Meter entfernt Chaos herrscht, ist der Strauß unversehrt geblieben.
Draußen, vor dem Tor, das den Stollen verschließt, der zur KZ-Gedenkstätte gehört, lässt sich die schiere Kraft erahnen, mit der in der Nacht zu Dienstag ein Bulldozer über den Boden gepflügt ist: Zwei grüne Tore mit Maschendraht hat er umgeworfen, das Gittertor zum Stollen ist verbogen und zum Teil aus den Angeln gerissen, der Zaun ist umgewalzt. Dann ist die auf einer nahen Baustelle gestohlene Planierraupe offensichtlich weiter in Richtung des etwa zwei Kilometer entfernten Hauptgebäudes der Gedenkstätte gefahren - und hat ein weiteres Tor und rund 500 Meter Zaun planiert.
Hinter dem letzten Tor fuhren die unbekannten Täter noch ein paar Hundert Meter weiter auf einen Acker - und zündeten die Raupe schließlich an. Am Schild und auf den Raupenketten hingen gestern Morgen noch Teile des grünen Drahtzauns. Der Gesamtschaden wird von der Polizei vorsichtig auf 50 000 Euro geschätzt. Den größten Anteil daran hat sicher die zerstörte Baumaschine.
„Malachit“ war der Deckname eines Außenlagers des KZ Buchenwald bei Halberstadt. Im Rahmen der Nazi-Untertageverlagerung der Rüstungsproduktion entstand Ende April 1944 das Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge.
Bis zur Befreiung durch US-amerikanische Truppen am 11. April 1945 mussten über 7000 Häftlinge aus 22 Ländern ein 13 Kilometer langes Tunnelsystem in das Sandsteinmassiv der Thekenberge treiben. Nach Fertigstellung der Stollen sollte dort eine Teilproduktion der Jägerfertigung für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG aufgenommen werden.
Viele der Gefangenen überlebten die unmenschlichen Bedingungen nicht, es herrschte das Prinzip der „Vernichtung durch Arbeit“. Im Jahr 1949 wurde am Ort von sechs Massengräbern ein erstes Mahnmal für die Opfer des Konzentrationslagers errichtet und am 11. September eingeweiht. (iku/Quelle: Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt)
Die Hintergründe für die Tat sind bislang unbekannt. Allerdings ist ein politisches Motiv laut Polizei eher unwahrscheinlich, denn mehrere Gedenktafeln neben dem Stolleneingang blieben unbeschädigt, und es gab keine rechtsradikalen Schmierereien am Tatort. „Die Täter hatten es wohl darauf abgesehen, mit der Baumaschine etwas kaputtzumachen“, sagte Beatrix Mertens, die Sprecherin der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, der MZ.
Eine bereits in der Nacht zum 5. Dezember in Langenstein angezündete weitere Baumaschine - der Schaden betrug damals etwa 150 000 Euro - sei ein zusätzlicher Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der Tat um Vandalismus handelt.
Ähnlich sieht es Kai Langer, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt. „Man kann zwar einen politischen Hintergrund nicht völlig ausschließen“, sagte er der MZ. „Es fehlen aber die Dinge, die typisch für Rechtsradikale sind: Es gibt weder Hakenkreuze noch eine Botschaft.“
Unterdessen ermittelt der Staatsschutz. Das sei aber angesichts des Tatorts auf dem Gelände einer KZ-Gedenkstätte aber Routine, sagte Beatrix Mertens. Langenstein erinnert an das frühere Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald, das im April 1944 errichtet wurde. (mz)
