Bestochen von Drogenbande? CDU sieht offene Fragen im Fall von verhaftetem Staatsanwalt
145 Fragen hat die niedersächsische Landesregierung zum Fall des inhaftierten Staatsanwalts beantwortet. Die Opposition sieht weiterhin Rätsel und spricht von einer „merkwürdigen Tatsache“.
Hannover - Im Fall des Staatsanwalts, der von einer international agierenden Kokain-Bande bestochen worden sein soll, sieht die oppositionelle CDU in Niedersachsen noch viele offene Fragen - trotz ausführlicher Antworten aus dem Justizministerium. Insbesondere offen sei die „merkwürdige Tatsache“, dass es nach der ersten Wohnungsdurchsuchung 331 Tage gedauert habe, bis das erste Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Staatsanwalt eingestellt worden sei, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann, der dpa. Die Auswertung der Beweismittel habe auffällig lange gedauert, obwohl ein schwerwiegender Verdacht im Raum gestanden habe.
Die Durchsuchung der Wohnung und der Diensträume des Verdächtigen fand im November 2022 statt, im Oktober 2023 wurde das Verfahren vorerst eingestellt. Nach der Entschlüsslung von Chats der Drogenhändler wurde das Verfahren gegen den verdächtigen Staatsanwalt jedoch im Juni 2024 wieder aufgenommen, im Oktober 2024 wurde der 39-Jährige verhaftet. Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Justizministerium verweist auf Brisanz des Falles
In seiner Antwort auf die 145 Fragen der CDU-Fraktion verweist das niedersächsische Justizministerium auf die Brisanz des Falles. Viele Fragen könnten nicht beantwortet werden, weil sonst die Ermittlungen gefährdet würden und das Leben von Zeugen in Gefahr gebracht werde.
Der 39-Jährige wird unter anderem verdächtigt, die Rauschgiftbande 2021 vor einer bundesweiten Razzia gewarnt zu haben. Anführer der Bande setzten sich ins Ausland ab. Bei einer bundesweiten Razzia am 3. März 2021 konnten laut Ministerium zwölf Beschuldigte, gegen die ein Haftbefehl vorlag, nicht angetroffen werden. Einige von ihnen hätten sich in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Dubai, Marokko, Albanien, Serbien, in die Niederlande und Türkei absetzen können.
Der beschuldigte Staatsanwalt war Ermittlungsführer in 27 von 34 Verfahren in dem „Belarus“ genannten Ermittlungskomplex. Dem Ministerium zufolge hatte die Tätergruppierung Kokain mit einem Straßenverkaufswert im Milliarden-Euro-Bereich nach Deutschland eingeführt.
Kopf der Bande in Dubai festgenommen, aber wieder entlassen
Gegen die vor der Razzia geflüchteten Verdächtigen beantragte der inzwischen inhaftierte Jurist damals laut Ministerium Haftbefehle. Sechs von ihnen seien teils im Ausland gefasst worden. Der mutmaßliche Kopf der Bande wurde demnach im April 2021 in Dubai festgenommen, jedoch nach wenigen Monaten unter Auflagen aus der Haft entlassen. Eine Auslieferung nach Deutschland habe das Gericht in Dubai im März 2023 abgelehnt. Nach dem Mann werde weiterhin international gefahndet.
Nach Überzeugung von Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) handelt es sich bei dem Verdacht gegen den Staatsanwalt um einen Einzelfall. „Von einem "Justizskandal" zu sprechen, halte ich für falsch“, sagte die SPD-Politikerin Ende 2024 der dpa. „Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Ermittlungen nun zügig vorantreibt und so bestenfalls schon Anfang 2025 Anklage erhoben werden kann.“