Extremismus Pro-Palästina-Demo vor FU-Mensa geplant: Debatte
Die Freie Universität wird dafür kritisiert, zu tolerant im Umgang mit Antisemitismus gewesen zu sein. Nun steht vor der Mensa eine Demo unter dem Titel „Solidarität mit Palästina“ an.
Berlin - Nach dem mutmaßlichen Angriff auf einen jüdischen Studenten in Berlin steht der Freien Universität (FU) eine Kundgebung unter dem Titel „Solidarität mit Palästina“ bevor. Eine Privatperson habe für Donnerstag (12.00 bis 14.00 Uhr) 100 Teilnehmer angemeldet, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch auf Anfrage. Ort sei die Otto-von-Simson-Straße 26, wo sich die große FU-Mensa befindet. Im Titel der angekündigten Veranstaltung heißt es laut Polizei auch, die Kundgebung richte sich „gegen die selektive Solidarität der Universitätsleitung und Einschränkung demokratischer Rechte“.
In sozialen Medien kursiert zum gleichen Termin ein Demoaufruf von einem „Palästinakommitee FU Berlin“, mit unter anderem der Aufschrift „Freiheit für Palästina!“. Die Frage, wie die FU mit der angemeldeten Demo umgehen will, ließ die Uni am Mittwoch auf dpa-Anfrage zunächst offen.
Die Universität steht von mehreren Seiten in der Kritik, nachdem der 30-jährige jüdische Student Lahav Shapira am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen war. Ein 23-jähriger propalästinensischer Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte danach dem „Tagesspiegel“, die Leitung der Uni sei „viel zu tolerant“, sie lasse zu viel unkommentiert. Unter anderem eine Hörsaalbesetzung einer Gruppe namens „FU Students for a Free Palestine“ hatte im Dezember für Aufsehen gesorgt.
Lior Steiner von der Jüdischen Studierendenvereinigung Berlin sagte am Dienstagabend im RBB, sobald Israel das Existenzrecht abgesprochen werde und klar antisemitische Botschaften nach außen getragen würden, habe dies mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun. Mehrere Studierendenvereinigungen fordern zusammen mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft unter anderem den Ausschluss und das Verbot antisemitischer und extremistischer Gruppierungen am Campus.
Debatte um Forderung nach Exmatrikulation
Forderungen etwa vom Zentralrat der Juden nach einer Exmatrikulation des Studenten, der seinen jüdischen Kommilitonen verprügelt haben soll, sieht Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra mit Skepsis.„Es ist ein hohes Grundrecht, das hier betroffen wäre von einer Exmatrikulation“, sagte die SPD-Politikerin in der RBB-„Abendschau“ am Dienstag. Exmatrikulationen aus politischen Gründen lehne sie auch grundsätzlich ab. Hochschulen seien offene Räume der Kommunikation und der Debatte. „Die Wissenschaft lebt von Austausch, lebt von Internationalität, lebt von internationalen Studierenden. Und natürlich gibt's auch dann mal Konflikte auf dem Campus. Und die müssen wir eindämmen.“
Wie die FU mitgeteilt hatte, ist nach derzeitiger Rechtslage in Berlin eine Exmatrikulation von Studierenden aus Ordnungsgründen nicht möglich. Hintergrund ist, dass das sogenannte Ordnungsrecht 2021 durch eine Änderung des Berliner Hochschulgesetzes abgeschafft wurde. FU-Präsident Günter Ziegler sagte der „Abendschau“: „Ich habe den Eindruck, dass wir nachschärfen müssen, zumindest in den Hilfsmitteln, die wir haben. Und dass das, was im Moment besteht, eben ein Hausverbot begrenzt auf drei Monate, möglicherweise für die Situationen, die wir haben, nicht reichen wird.“
Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Adrian Grasse, will sich für eine Wiedereinsetzung des Ordnungsrechts starkmachen, wie er auf Anfrage erklärte. „Angesichts der jüngsten Ereignisse werde ich das Thema in der Koalition erneut aufrufen.“ Es brauche auch das Instrument der Exmatrikulation, „um jüdische Studentinnen und Studenten zu schützen und deutlich zu machen, dass Antisemitismus an unseren Hochschulen keinen Platz hat“. Allein von der Verfügbarkeit dieses Mittels verspricht er sich eine vorbeugende Wirkung.
Bundesministerin: Unis keine rechtsfreien Räume
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) rief Universitäten zu einem konsequenten Durchgreifen auf. Antisemitismus müsse klare Konsequenzen haben, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). „Hochschulleitungen müssen daher von allen ihnen rechtlich zustehenden Möglichkeiten Gebrauch machen.“ Ein Wegsehen sei inakzeptabel. Hochschulen seien zwar Orte maximaler Freiheit, aber keine rechtsfreien Räume.
Unterdessen ist der verletzte Lahav Shapira im Krankenhaus bestohlen worden, wie sein Bruder, der Comedian Shahak Shapira, auf der Plattform X berichtete. Hinweise auf eine gezielt gegen ihn gerichtete Tat gibt es aber bislang offenbar nicht. „Leider ist es unbefugten Personen gelungen, auf eine eigentlich verschlossene Station zu gelangen und bei insgesamt drei Patienten Eigentum zu entwenden“, zitierte die „B.Z.“ einen Charité-Sprecher.