Brandenburg Brandenburg: Deutschlands einziges Männerhaus

Ketzin/dpa. - Die übelsten Attacken seiner Frau passiertennachts, wenn Dietmar Gettner schlief. Dann kam sie manchmal betrunkenans Bett und knickte ihm brutal die Finger um. Tagsüber machte sie«Psychoterror». Heute lebt der 66 Jahre alte Rentner und ehemaligeSchiffskapitän längst ohne sie: Im brandenburgischen Ketzin betreibter zusammen mit einem Diplom-Pädagogen Deutschlands einzigesMännerhaus. Es ist ein abgelegenes Asyl im grünen Havelland fürMänner, die Opfer partnerschaftlicher Gewalt wurden und nicht mehrwissen, wie es weitergehen soll in ihrem Leben.
Denn nicht nur Frauen, auch das vermeintlich starke Geschlechtwird in Beziehungen weitaus öfter geprügelt und gedemütigt alsöffentlich bekannt. «In Deutschland traut sich nur kaum jemand, offenüber dieses Problem zu sprechen», sagt Gettner. Von der Politik wurdedas Thema lange ignoriert. Rund 400 Frauenhäuser gibt es inDeutschland, ein flächendeckendes Netz mit breiter finanziellerUnterstützung. Eine Einrichtung für geschlagene Männer sucht manjenseits von Ketzin vergebens.
Zusammen mit dem Diplom-Pädagogen Horst Schmeil betreibt Gettnerdas Haus seit zwei Jahren, in dem auch Hilfe suchende Frauen nichtabgewiesen werden. Nicht immer sind die Zimmer belegt: Was die Männerbetrifft, traut sich kaum einer von ihnen zuzugeben, dass er vonseiner eigenen Frau geschlagen wird. «Die schämen sich viel zu sehr»,sagt Pädagoge Schmeil.
Vor ein paar Wochen traute sich dann doch mal wieder einer - einjunger Mann Ende 20, Anfang 30. Erst hatte er sogar den Mut, bei derPolizei anzurufen. «Aber die haben ihn ausgelacht», berichtetGettner. Zusammen mit Schmeil holte er den Hilfesuchenden vom Bahnhofab. «Er hat bitterlich geweint, war ganz zerkratzt und hatte blaueFlecken im Gesicht. Sein Geld hatte ihm seine Frau auch abgenommen»,erzählt Gettner. Sie nahmen den jungen Mann für ein paar Tage auf undrichteten ihn wieder auf - mit Gesprächen, ausgedehntenSpaziergängen. Auch die zutraulichen Pferde auf der zumHof gehörenden Koppel haben ihren therapeutischen Effekt.
Die ersten Frauenhäuser wurden in Deutschland in den 1970er Jahrenaufgebaut. Die erste Studie zum Thema Gewalt gegen Männerveröffentlichte das Bundesfamilienministerium 2004. Danach widerfuhrjedem vierten der befragten 200 Männer einmal oder mehrmals «ein Aktkörperlicher Gewalt» durch die Partnerin. Dies werde aber weitgehendtabuisiert, heißt es im Resümee der Studie. Deshalb sei «dieSchaffung eines öffentlichen Bewusstseins für Ausmaß und Folgender Gewalt gegen Männer von großer Bedeutung». Allerdings seienweitere Forschungen erforderlich.
In den Augen von Gerhard Amendt verhält sich die deutsche Politik«schlicht ignorant». Der emeritierte Universitätsprofessor leitetedas Bremer Institut für Geschlechter- und Generationenforschung undbeschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema fraulicher Gewaltgegen Männer. «Ich benenne eine Realität, die man nicht wahr habenmöchte», sagt Amendt. Und die sehe so aus: Frauen sind inPartnerschaften genauso gewalttätig wie Männer - Verhältnis 1:1.«Das haben rund 200 internationale Studien bestätigt, die erste imJahr 1985», erläutert Amendt. «Wir müssen uns endlich von derIllusion verabschieden, dass nur Männer gewalttätig sind.»
In Ketzin erweitern Gettner und Schmeil ihr Männerhaus gerade umweitere Asylplätze. Momentan gibt es nur zwei Gästezimmer, aber baldsollen es zwölf sein. Die Wände im Flur sind schon frisch gestrichen,dort hängt auch ein Überbleibsel von Gettners letztem Schiff: einrot-weißer Rettungsring.