BGH-Entscheidung BGH-Entscheidung: Freispruch nach Todesschuss auf Randalierer ist rechtens
Karlsruhe/Nordhausen/dpa. - Der Bundesgerichtshof (BGH) hatden Freispruch eines Thüringer Polizisten bestätigt, der einenbetrunkenen Randalierer erschossen hatte. Das Karlsruher Gerichtgestand dem Beamten zu, in Notwehr gehandelt zu haben, obwohl erkeinen Warnschuss abgegeben habe. Der BGH wies am Mittwoch dieRevision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des LandgerichtsMühlhausen vom Oktober 2003 ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) inThüringen sprach von einer Einzelfallentscheidung. Der Beamte haberechtens gehandelt. Grundsätzlich bleibe es aber dabei, dass nachMöglichkeit die Anwendung der Schusswaffe anzukündigen sei.
Im Juli 2002 hatte der damals 30 Jahre alte Beamte in Nordhausenmit einer Kollegin zwei Männer gestellt, die einen defektenZigarettenautomaten aufbrechen wollten. Einer der beiden widersetztesich der Festnahme und warf aus kurzer Entfernung zwei Pflastersteinenach dem Polizisten, die ihn verfehlten. Der Beamte, der zunächsteinen Warnschuss in die Luft abgeben wollte, zog die Waffe beimzweiten Wurf nach unten, um auf die Beine des Angreifers zu schießen.In diesem Augenblick bückte sich der alkoholisierte Mann nach einemweiteren, drei Kilogramm schweren Stein und wurde tödlich in denRücken getroffen, weil der Polizist die Waffe leicht nach obenverrissen hatte.
Laut BGH ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zubeanstanden, wonach der Polizist in Notwehr gehandelt hat.«Angesichts der lebensgefährlichen Steinwürfe brauchte sich derAngeklagte nicht auf das Risiko eines Warnschusses oder einfachenkörperlichen Zwangs einzulassen», sagte die Vorsitzende des 3.Strafsenats, Ruth Rissing-van-Saan. Der Polizist habe sich in demblitzschnell ablaufenden Geschehen innerhalb von Sekundenbruchteilenentscheiden müssen. Dass er nicht auf die Beine geschossen, sondernversehentlich einen tödlichen Schuss abgegeben habe, sei eintypisches Risiko, das mit eine solchen Notwehr-Aktion verbunden sei.
Der Sprecher des Innenmininisteriums, Fried Dahmen, sagte, dieUrteilsbegründung erscheine sehr plausibel. Die Entscheidungbestätige die Rechtsauffassung der Thüringer Justiz. Der Sprecher derGdP in Thüringen, Edgar Große, sagte, das Dilemma sei, dass dieBeamten in Bruchteilen von Sekunden eine Entscheidung treffenmüssten. Gerichte hätten dann Wochen oder Monate Zeit, dieseEntscheidung zu prüfen.
Harsche Kritik an der Nordhäuser Polizei hatte in der Verhandlungvor einer Woche der Vater des Opfers geübt. Die Ermittlungen seienvon der Dienststelle des Angeklagten einseitig geführt worden. Zudemsei es «unvorstellbar», dass zwei Beamte nicht mit einem starkalkoholisierten Mann fertig würden.