Kirche Betroffene zu Missbrauchsstudie: Brauchen Hilfe vom Staat
Hannover - Bei der Vorstellung der Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie haben Betroffene angemahnt, die Aufarbeitung von Fällen und Strukturen noch stärker voranzutreiben - auch mithilfe des Staates. „Wir brauchen hier eine Verantwortungsübernahme des Staates. Denn es zeigt sich immer wieder, die Kirche ist für die Betroffene kein Gegenüber“, sagte Katharina Kracht, Vertreterin der Betroffenen und Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes, am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie in Hannover. Es brauche externe Fachleute und Beschwerdestellen.
Aufarbeitung sei die Königsdisziplin, betonte Kracht. Aus ihrer Sicht fehle in den Landeskirchen aber Kompetenz und vermutlich auch Interesse, Fälle tatsächlich aufzudecken. „Wenn solche Nachforschungen nicht unternommen werden, bleiben Täter unentdeckt.“
Die Studie komme zwar spät, sie sei aber wichtig für die Betroffenen, da diese in die Untersuchung einbezogen worden seien, sagte Kracht. Sie bemängelte, dass die evangelische Kirche längst hätte handeln können. Die Studie könne daher nur ein Anfang sein. „Wenn die EKD sich jetzt wieder in die Hinterzimmer zurückziehen will, bis zur Synode, ist das eine derbe Enttäuschung für die vielen Betroffenen.“ Es dürfe nicht noch mehr Zeit vertrödelt werden. „Es ist genug, es ist schon lange genug.“
Sie selbst habe in ihrem Fall jahrelang auf Aufklärung warten müssen. Kracht war in den in den 1980er und 1990er Jahren von einem evangelischen Pastor im niedersächsischen Nenndorf bei Hamburg schwer sexuell missbraucht wurde. Wie sich erst spät herausstellte, hatte der 2013 gestorbene Pfarrer sowohl in Nenndorf als auch in seiner vorigen Kirchengemeinde in Wolfsburg weitere Mädchen missbraucht.
Die Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie hat für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 1259 Beschuldigte dokumentiert. Diese Zahl nannte vorgestellte sogenannte Forum-Studie unabhängiger Wissenschaftler. Es handelt sich um die erste umfassende Studie zu sexualisierter Gewalt bei den Protestanten.