Berlin Berlin: Vogelkonzert in der City

Berlin/dpa. - Bis zu 500Vögel sammeln sich im Schutz eines wuchernden Schlingknöterichs undgeben von der Dämmerung bis oft in die Nacht ein Konzert. Jetzt istheftiger Streit um das ungewöhnliche Stück Natur mitten in der Cityentbrannt. Die Hausverwaltung will abreißen, doch das Amt für Umweltund Natur des Bezirks hat die drohende Kettensäge gestoppt.
Café-Besitzer Christopher Klein ist froh darüber, dass die Vögelerst einmal bleiben dürfen. «Das ist doch wunderschön, dass es soetwas in der Stadt gibt. Viele Menschen sind total fasziniert.»Allerdings wollen manche Gäste auch kaum glauben, was sie sehen undhören. Sätze wie «Das gibts doch gar nicht. Da läuft doch eine CD mitVogelgezwitscher» höre er immer wieder, berichtet Klein.
Doch dann klatsche eine der Kellnerinnen in die Hand. «Im selbenMoment herrscht einen Augenblick Funkstille, erst dann geht es mitvollen Sangeskräften wieder los», sagt Klein. Danach seien alleZweifler überzeugt, dass das Konzert echt ist. Zu sehen sind diegefiederten Musikanten eher selten, so dicht hat der Knöterich(Fallopia Aubertii) mit seinen Schlingen die Fassade inzwischen bishinauf in die ersten Balkone erobert.
Die Leiterin des Amts für Umwelt und Natur in Mitte, Regine Grafe,bestätigte, dass vom Hausbesitzer ein Bauantrag vorliege. Dochsolange nicht völlig klar sei, wann und was gebaut werden solle,dürfe der Knöterich nicht angetastet werden. Die Behördenvertreterinsagte: «Der Berliner freut sich ja über jedes grüne Blatt mitten inder Stadt. Wir dulden den Migranten Knöterich deshalb mit Wonne.» DieSchlingpflanze sei eigentlich keine einheimische Pflanzenart, werdeaber «genauso geschützt wie Pappeln oder Birken». Sie dürfe nurausgelichtet oder gar beseitigt werden, wenn im Einzelfall zumBeispiel an einer Hausfassade Sicherheitsprobleme durchmöglicherweise herabstürzendes Mauerwerke drohen.
Für Katrin Koch vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist klar,warum die Vögel, Spatzen, Haussperlinge, Meisen, Finken und andereKleinvögel den geschützten Lebens- und Zufluchtsraum so lieben. «DieSchlingpflanze bietet ganz ideal ein Versteck vor Beutegreifern. Imdichten Bewuchs ist es relativ warm, die Tiere sparen dicht gedrängtviel Energie.» Die in Berlin überwinternden Vögel würden sich diegünstigen Bedingungen «gut merken und in ihrem Schwarmverhalten überGenerationen weitergeben». Das kann Gastronom Klein bestätigen: «DerKnöterich wächst schon gut zwölf Jahre hier.» Auch zwei Mieterinnen,deren Balkone im ersten Stock schier zugewachsen sind, haben sich mitdem Gestrüpp und den hunderten von tierischen «Untermietern»angefreundet.