Berlin Berlin: Tödliche Drogen-Therapie
BERLIN/DPA. - "Ich habe eine kleine Dosis LSD genommen, die mich öffnen und einfühlsam machen sollte", erinnert sich der 51-jährige Arzt und Therapeut am Donnerstag zum Prozessauftakt am Berliner Landgericht.
Gegen Mittag werden die ersten Drogen verteilt, alle sind entspannt. Dann kommt Unruhe auf. Ein 59-jähriger Frührentner hat Panik in den Augen. "Ich beschloss das erste Mal in einer solchen Sitzung, medikamentös einzugreifen", schildert der Therapeut vor Gericht. Er spritzt Valium. Ein 28-jähriger Student kommt ihm ängstlich vor und erhält eine Spritze mit Morphium. Anderen Patienten wird übel. Einige zittern und übergeben sich.
Aus dem Selbsterfahrungsnachmittag ist eine tödliche Therapie geworden. Zu spät wird der Notarzt gerufen. Ein vergifteter Patient stirbt noch in der Praxis, ein zweiter später im Krankenhaus an einer Überdosis Ecstasy. Der Psychotherapeut, der die Drogen verteilte, gesteht: "Ich bin für den Tod von zwei Menschen verantwortlich."
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Facharzt für Psychotherapie Körperverletzung mit Todesfolge und versuchten Mord vor. Er soll einen der vergifteten Patienten vor der Notärztin versteckt haben. Der junge Mann wurde zu spät gefunden, er starb wenig später im Krankenhaus. Den Vorwurf des versuchten Mordes, der im Zentrum des Prozesses steht, bestreitet der Angeklagte. Schließlich versagt dem vierfachen Vater die Stimme. Tränen fließen. Verteidiger Ferdinand von Schirach liest den Schluss der Erklärung vor, in der sich der Arzt zu "großer Schuld und Trauer" bekennt: "Ich habe den Umgang mit den chemischen Substanzen völlig falsch eingeschätzt, das musste ich auf schreckliche Weise erfahren", heißt es. Die Ohnmacht, es nicht wieder gutmachen zu können, sei unerträglich.
Verteidiger von Schirach argumentiert mit einer Selbstverantwortung der Patienten. Ärzte seien heutzutage nicht mehr die Halbgötter in Weiß, man könne die Verantwortung nicht auf sie abladen. Die Patienten hätten genau gewusst, was ihnen gegeben wurde, sagt von Schirach am Rande des Prozesses. Das Geschehene sei eher ein Unfall. Sein Mandant sei kein Verbrecher. Der Prozess wird fortgesetzt.