Berlin Berlin: Absturz vor Reichstag wahl wohl Selbstmord

Berlin/dpa. - Beim Absturz eines Ultraleichtflugzeugs zwischenBerliner Reichstag und Bundeskanzleramt handelt es sich allerWahrscheinlichkeit nach um einen Selbstmord des 39-jährigen Piloten.Die Behörden schlossen am Samstag einen terroristischen Hintergrundaus. Der Flugzeugabsturz löste aber eine Debatte über ein Flugverbotaus, um das Berliner Regierungsviertel besser vor möglichenTerroranschlägen aus der Luft zu schützen.
Das Flugzeug - ein Doppeldecker vom Typ «Roter Kiebitz» - war amFreitagabend auf die Rasenfläche vor dem Reichstag gestürzt. DerPilot starb kurz nach dem Aufprall, weitere Personen wurden nichtverletzt. Das Flugzeug brannte vollständig aus. Bundeskanzler GerhardSchröder (SPD) war zum Zeitpunkt des Absturzes nicht in seinemAmtssitz.
Ein terroristischer Anschlag werde ausgeschlossen, bekräftigteBerlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Der Vize-Präsident derBerliner Polizei, Gerd Neubeck, ergänzte, auch für einen technischenDefekt gebe es nach der Auswertung von Zeugenaussagen und einemAmateurvideo keine Hinweise.
Ursache für einen Selbstmord könnte ein familiäresGewaltverbrechen sein. Die 36-jährige Ehefrau des Piloten, einem Mannaus dem brandenburgischen Erkner, wird den Angaben zufolge seiteinigen Tagen vermisst. Es werde nach der Frau gesucht, sagte einPolizeisprecher in Frankfurt (Oder). Eine Obduktion der Leiche desPiloten soll klären, ob der Mann während des Fluges möglicherweiseeinen Herzinfarkt erlitten hat oder unter Alkohol stand. Erhinterlässt einen 14-jährigen Sohn und eine 12 Jahre alte Tochter.
Nach den bisherigen Ermittlungen war der 39-Jährige gemeinsam mitseinem Sohn vom Flugplatz Eggersdorf im brandenburgischen Müncheberggestartet. Bei einem Zwischenstopp in Strausberg ließ er den Jungenzurück. Nachdem er dem 14-Jährigen persönliche Gegenstände übergebenund einen Selbstmord angedeutet haben soll, sei er um 19.55 Uhr nachBerlin weiter geflogen, wo er eine gute halbe Stunde späterabstürzte.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte im Magazin«Focus», an «politisch sensiblen Orten» der Republik «zwingendganzjährige Überflugverbote» zu verhängen. Für seinenbrandenburgischen Amtskollegen Jörg Schönbohm (CDU) offenbart derAbsturz «eine unglaubliche Sicherheitslücke». Die Luftraumüberwachungmüsse so angepasst werden, «dass kein Flugobjekt mehr unter demÜberwachungsschirm hindurchschlüpfen kann».
Senator Körting zeigte sich hingegen skeptisch. «AbsoluteSicherheit» gebe es nur, wenn man im Umkreis von 100 oder 200Kilometern um Berlin eine Flugverbotszone einrichtet. Wenn ein Pilotüber dem Stadtgebiet sei, könne man ihn nicht mehr aufhalten. Einsolches Flugverbot würde zudem eine Schließung aller BerlinerFlughäfen und zahlreicher Landeplätze in Brandenburg nach sichziehen. Auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) lehnte eine totaleSperrung des Luftraums ab. «Ein Terrorist würde sich eh nicht daranhalten», sagte ein Sprecher in einem dpa-Gespräch.
Darüber hinaus wies die Flugsicherung darauf hin, dass sich dasFlugzeug nicht - wie vorgeschrieben - angemeldet habe und auch aufdem Radarschirm nicht zu sehen gewesen sei. Ultraleichtflieger, dienur aus einem Metallgerüst und einem Stoffüberzug bestehen, würdennur erkannt, wenn sie einen angeschalteten «Transponder» an Bordhaben, der den Radarstrahl reflektiert, erklärte DFS-Sprecher GerhardSchanz. Ein solches Gerät, das bei Sportflugzeugen nichtvorgeschrieben ist, sei zwar im Cockpit der Maschine gewesen -allerdings nicht angeschaltet.
Ein Terroranschlag nach dem Vorbild des World Trade Centersscheint mit einem derartigen Flugzeug ohnehin ausgeschlossen.Polizei-Vize Neudeck schätzt, dass man mit einem Ultraleichtflugzeughöchstens 40 oder 50 Kilo Sprengstoff transportieren könnte. DieseMenge hätte nicht ausgereicht, um eines der umstehendenRegierungsgebäude zum Einsturz zu bringen.
