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Proteste Bauern bereit zu Blockaden: Aufrufe zur Mäßigung

Die Proteste der Landwirte lösen Verkehrsstaus und Straßenblockaden zum Wochenstart aus. Vor der Aktionswoche werden Aufrufe zur Mäßigung laut. Sicherheitsbehörden sehen zudem eine Gefahr, dass Bauern-Demos auch von Rechten unterwandert werden.

Von dpa Aktualisiert: 07.01.2024, 13:45
Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes in Brandenburg.
Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes in Brandenburg. Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Potsdam - Die geplanten landesweiten Bauern-Proteste gegen Sparpläne der Bundesregierung an diesem Montag haben Sorgen vor einer möglichen Eskalation ausgelöst. Das Innenministerium in Potsdam sah auch die Gefahr, dass rechtsextreme Kräfte Einfluss nehmen wollen.

Politiker und Bauernverbände riefen vor der Aktionswoche ab Montag ausdrücklich zur Mäßigung auf. „Bleibt friedlich“, forderte der brandenburgische Bauernpräsident Henrik Wendorff bei der Plattform X (vormals Twitter). Kritik hatte es etwa an aufgestellten Galgen an Straßen gegeben.

Am Montag planen Landwirte bundesweit Protestaktionen gegen geplante Subventionskürzungen. „Wir wollen nicht durch praxisferne und sprunghafte Agrarpolitik den Boden unter den Füßen verlieren“, so der Landesbauernverband Brandenburg.

Blockaden von Autobahnauffahrten und Treckerkorsos werden landesweit vorbereitet. In Brandenburg werden starke Verkehrsstörungen erwartet. Die Polizei bereitet sich auf einen großen Einsatz vor.

Mobilisierung rechter Gruppen befürchtet

Rechte und andere radikale Gruppierungen sind laut Bauernpräsident Joachim Rukwied bei den Demonstrationen unerwünscht. Das brandenburgische Innenministerium sieht die Gefahr, dass Rechtsextremisten Einfluss auf Bauernproteste nehmen wollen. „Brandenburgische AfD-Funktionäre und Der Dritte Weg mobilisieren bereits in diesem Zusammenhang“, teilte das Innenministerium in Potsdam in einer Stellungnahme am Sonntag mit. Zuvor berichtete die „Märkische Allgemeine Zeitung“.

Das Innenministerium rief Landwirte auf, sich von Einflussversuchen rechter Kräfte zu distanzieren und Versuche der Einflussnahme zu unterbinden. Der brandenburgische Verfassungsschutz stuft die AfD im Land als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. In Cottbus meldete ein AfD-Politiker für Montagabend eine Demonstration gegen die Politik der Bundesregierung an.

Bauern rechnen durch Subventionskürzungen mit Wettbewerbs-Nachteilen

Die Landwirte beklagen teils nicht zu verkraftende Einkommenseinbußen durch die geplanten Subventionskürzungen. Sie sehen auch die Gefahr, dass sie mit der Produktion von Lebensmitteln nicht mehr wettbewerbsfähig innerhalb der EU sind.

„Für uns Spargelbauern bedeutet es noch weitere Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Importware“, sagte der Vorsitzende des Beelitzer Spargelvereins, Jürgen Jakobs, der Deutschen Presse-Agentur. „Es wird auf jeden Fall teurer.“ Auch die Spediteure ächzten unter den Mautbelastungen. „Die Bundesregierung fabriziert Kostensteigerungen, die landen am Ende alle beim Verbraucher.“

Spargelbauer Jakobs, der 250 Hektar mit Spargel und 50 Hektar mit Beeren bewirtschaftet, verbraucht nach eigenen Angaben etwa 150.000 Liter Agrardiesel für Traktoren und Maschinen etwa zur Bewässerung. Es entstünden Kosten von rund 240.000 Euro. Ein Wegfall der Agrardiesel-Subvention mache ein Minus von 30.000 Euro aus.

Nachbesserungen bei Sparplänen halten Bauern nicht für ausreichend

Der Protest der Landwirte entzündet sich an Sparplänen der Ampel-Koalition in Berlin. Die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für die Landwirtschaft soll nun allerdings weiter gelten. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nicht auf einmal wegfallen, sondern schrittweise auslaufen. Dem Bauernverband reicht die teilweise Rücknahme der Pläne nicht. Der Unmut scheint groß. Vor Tagen hatten Demonstranten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.

Banger Blick auf Protestaktionen und Kritik an Bauern

Der Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, Michael Wimmer, sagte, er sehe die Proteste mit Sorge. „Es wird mir ein bisschen bange, wenn ich sehe, wie sich das gesellschaftspolitisch aufschaukelt.“

Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf schrieb auf X: „Klima-Aktivisten demonstrieren friedlich nur mit ihren Körpern für eine lebenswerte Zukunft, für die Einhaltung des einstimmig beschlossenen Pariser Klima-Abkommens. Die Bauern kämpfen rabiat und aggressiv mit ihren dicken Treckern für mehr vom Subventionskuchen für sich selbst.“

Vorbereitungen für Agrarmesse Grüne Woche laufen

Die Debatten um die Landwirtschaft dürften auch bei der Agrarmesse Grüne Woche weitergehen, die am 19. Januar auf dem Messegelände am Berliner Funkturm startet. In der Brandenburghalle soll es traditionell um regionale Lebensmittel gehen. „Das Interesse ist ungebrochen, sich über Landwirtschaft, Ernährung, Tierhaltung und klimaschonende Bewirtschaftung zu informieren“, sagte Landesbauernpräsident Wendorff. Aber wird auch bei der internationalen Agrarausstellung der Frust der Landwirte zu spüren sein? Bislang ist laut Bauernverband wenige Tage vor der Eröffnung, am 15. Dezember, eine Großdemonstration in der Hauptstadt geplant.