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Bad Reichenhall in Bayern Bad Reichenhall in Bayern: 15 Tote bei Einsturz der Eishalle

02.01.2006, 15:09
Helfer decken am Mittwoch (4. Januar 2006) in der eingestürtzten Eissporthalle in Bad Reichenhall den Sarg eines soeben gefundenen Verschütteten ab. (Foto: dpa)
Helfer decken am Mittwoch (4. Januar 2006) in der eingestürtzten Eissporthalle in Bad Reichenhall den Sarg eines soeben gefundenen Verschütteten ab. (Foto: dpa) dpa

Bad Reichenhall/dpa. - Die traurige Vermutung wird immer mehr zur Gewissheit: Das Unglück von Bad Reichenhall hat wahrscheinlich 15 Menschen das Leben gekostet. Bis Mittwochabend wurden 14 Leichen geborgen, vermisst wurde noch eine Frau. Die Helfer hatten kaum nochHoffnung, sie lebend zu finden. In der Debatte um mögliche bauliche Mängel der Eishalle wiesen die Stadtratsfraktionen von CSU, SPD und Freier Wählergemeinschaft alle Vorwürfe zurück. «Sicherheitsrelevante Mängel waren im Stadtrat nicht bekannt», heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Fraktionen vom Mittwoch. Bundesweit wurde der Ruf nach einem «Bau-TÜV» für öffentliche Gebäude lauter. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) forderte die Länder auf, einen solchen TÜV zu prüfen.

Der Reichenhaller Stadtrat betonte, bei der Diskussion um dieSanierung der Eislauf- und Schwimmhalle sei es einzig um dieSchwimmbad- und Kältetechnik gegangen. Die Fraktionen stellen sichmit ihrer Erklärung hinter Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier(Freie Wähler). Auch er hat stets betont: «Das Dach war nichtsanierungsbedürftig.» Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderemwegen fahrlässiger Tötung.

Am Mittwoch konnten die Rettungskräfte zwei Jungen und ein Mädchenim Alter zwischen 12 und 16 Jahren nur noch tot aus den Trümmernholen. Bis zum Nachmittag hatten die Helfer den größten Teil derEisfläche abgesucht. Eine unter der Eisfläche liegende Tiefgaragewurde geräumt und abgestützt. Am Vortag waren die Arbeiten zeitweisewegen Einsturzgefahr eingestellt worden. Im Licht der Scheinwerferarbeiteten die Helfer auch am Mittwochabend weiter. MitSpezialbaggern entfernten sie schwere Bauteile der Halle, paralleldazu schaufelten Helfer im Innern der Halle von Hand den teilsgefrorenen Schutt in Schubkarren und brachten ihn weg. Immer wiederschneite es.

Auch wenn alle Vermissten gefunden sind, wird derKatastrophenalarm vorerst weiter gelten. «Der Katastrophenalarm wirdsolange aufrecht erhalten, bis wir sicher sind, dass sich keinweiteres Opfer mehr auf dem Eis in den Trümmern befindet», sagteLandratsamtssprecher Christoph Abreß. Dazu solle die Eisflächenochmals genau abgesucht werden. Die Arbeiten könnten sich bis zumDonnerstag hinziehen.

Die Kriminalpolizei stellte Unterlagen sowie einzelne Bauteile ausdem zusammengestürzten Gebäude sicher. «Teile werden gesichert undnummeriert, um den Gutachtern die Ursachenforschung zu ermöglichen,erläuterte Polizeisprecher Hubertus Andrä. Die Suche nach denVerschütteten bringe auch die Rettungshunde an den Rand ihrerLeistungsfähigkeit, sagte er. Ein Hund könne maximal 20 Minutensuchen, dann benötige er eine Pause.

Bauminister Tiefensee forderte die Länder auf, die Möglichkeiteneines «Bau-TÜV» zu erörtern. «Das tragische Unglück hat uns allennoch einmal die Bedeutung einer ausreichenden Standsicherheit vonGebäuden vor Augen geführt», sagte er am Mittwoch in Berlin. Lebenund Gesundheit dürften durch Bauwerke nicht in Gefahr geraten. «Jetztsind die Länder am Zuge.»

Die Städte und Gemeinden selbst halten hingegen verstärkteKontrollen öffentlicher Gebäude bundesweit derzeit nicht fürsinnvoll. «Es gibt bereits eine Vielzahl an Bauvorschriften», sagtedas geschäftsführende Präsidialmitglied des Deutschen Städte- undGemeindebundes, Gerd Landsberg, der dpa in Berlin. «Wir sollten erstdie Ursache abwarten.» Auch das bayerische Innenministerium siehtderzeit keine Notwendigkeit für einen verbindlichen «Gebäude-TÜV».Zuerst müsse die Ursache des Unglücks geklärt werden, dann erst könneman über Konsequenzen reden, sagte der für Bauwerkssicherheitzuständige Bauingenieur Wolfgang Schubert der dpa.

Bei den Toten handelt es sich um zwei Jungen und fünf Mädchenzwischen neun und zwölf Jahren, fünf Jugendliche bis 16 Jahre sowiezwei 40 und 41 Jahre alte Frauen. 34 Menschen wurden bei dem Unglückam Montagnachmittag verletzt, 18 von ihnen kamen ins Krankenhaus.

Vor dem Dacheinsturz war ungewöhnlich nasser und schwerer Schneegefallen. Zwar wurde die Belastung des Daches kurz vor dem Einsturzüberprüft, dennoch gibt es Spekulationen über Versäumnisse derBehörden am Unglückstag.

Krisen-Interventionsteams kümmerten sich auch am Mittwoch umAngehörige der Opfer. «Die meisten sind geschockt und traumatisiertvon dem Ereignis», fasste Malteser-Sprecher Peter Volk zusammen. Miteiner Lichterkette hatten am Dienstagabend zahlreiche Menschen derOpfer gedacht. Am kommenden Dienstag (10. Januar) soll es in BadReichenhall einen Trauergottesdienst von Freistaat, Landkreis und derStadt geben.

Auf dem Rathausplatz in Bad Reichenhall bildeten Einwohner und Angehörige am Dienstagabend eine Lichterkette im Gedenken an die Opfer. (Foto: dpa)
Auf dem Rathausplatz in Bad Reichenhall bildeten Einwohner und Angehörige am Dienstagabend eine Lichterkette im Gedenken an die Opfer. (Foto: dpa)
dpa