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Autokino Autokino: Kuscheln auf der Rückbank

Von Carla S. Reissman 03.06.2008, 08:59

New York/dpa. - Seit drei Generationen fasziniert viele das Erlebnis, mit dem eigenen Fahrzeug direkt vor der Leinwand zu parken. Die Erfindung des Amerikaners Richard Milton Hollingshead wird am 6. Juni 75 Jahre alt.

Mit dem Slogan «Jedem seine eigene Loge» warb Hollingshead für sein erstes Autokino, das er 1933 in Camden (US-Bundesstaat New Jersey) eröffnete. Der Sohn eines Autopflegemittelherstellers wollte der Legende nach eigentlich nur die Verkaufzahlen für die Produkte seines Vaters ankurbeln. Dafür experimentierte er eine Weile, bis er auf die Idee kam, Rampen zu bauen, auf die die Autos vorne schräg auffahren konnten - für den perfekten Blick auf den Lieblingsstreifen. Der Ton kam anfangs nur aus den beiden Lautsprechern neben der Leinwand, dann aus Monolautsprechern, die an der Autotür eingehängt werden mussten. Heute wird der Ton über den Mittelwellenbereich des Autoradios übertragen.

Hollingsheads Idee verbreitete sich in den USA erst langsam - aber dann gewaltig. Mitte der 50er Jahre gab es bereits 4000 Autokinos, viele davon in den ländlichen Gebieten. Schließlich kostete der Spaß früher lediglich 25 Cent pro Person und höchstens einen Dollar für alle Insassen. Ein Schnäppchen für viele Großfamilien, die sich keine teuren Kinokarten leisten konnten - und auch das Baby auf dem Rücksitz und der Collie auf der Ladefläche waren dabei. Es wurde aber auch schnell ein Anziehungspunkt für junge Pärchen im prüden Amerika. In der «Lover's Lane» - einer «Spur für Liebende» - in der hintersten Reihe des Kinos, wo der Film sowieso zweitrangig war, wurde gekuschelt und mehr.

Die Beach Boys widmeten dem Autokino 1964 in diesem Sinne sogar einen Song: «Forget about the plot, it'll do very well/But make sure you see enough so you're prepared to tell/About the Drive-In! (Vergiss die Handlung, es geht auch so ganz gut/Aber sorge dafür, dass du genug mitkriegst, damit du nachher was erzählen kannst/Über das Drive-In).

Das Autokino konnte nur eine amerikanische Idee sein. Es passt zum American Way of Life - schnell, unkompliziert, billig und vor allem mit dem eigenen Auto. Das ist die wahre Freiheit. Was mit dem Kino begann, setzte sich schnell auch bei Fastfood-Ketten, Bankautomaten und Friedhöfen durch. Im Autokino ist man öffentlich unterwegs und doch privat wie im eigenen Wohnzimmer. Rauchen, Knoblauch-Döner essen, Handy-Klingeln mitten im Film und Hundehaare auf dem Nebensitz stören niemanden. Und zu Hause ist man auch schnell wieder - außer es ist Stau nach Filmende.

In Deutschland kam das Autokino erst spät zur Blüte: Das erste eröffnete in Gravenbruch bei Frankfurt erst 1960 - über die Leinwand flimmerte das Oscar-gekrönte Drama «Der König und ich» mit Yul Brunner und Deborah Kerr. Schon in den ersten fünf Monaten kam eine Viertel Million Besucher, und es bekam ebenfalls ganz schnell einen Spitznamen verpasst: «Knutschkino». Nachdem der Siegeszug der Videos in den 80er Jahren schon den konventionellen Lichtspielhäusern schwer zu schaffen machte, mussten die ersten Autokinos auch schon wieder schließen. Nach der Wende begeisterte die Idee jedoch die neuen Bundesländer und so eröffneten Autokinos auf Rügen, in Magdeburg, Rostock und Berlin.