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Atlantik-Flieger Atlantik-Flieger: Charles Lindbergh hatte eine Familie in München

03.08.2003, 20:09
Der amerikanische Pilot Charles Lindbergh. Er überflog als Erster den Atlantik und benötigte für die rund 6000 km lange Strecke New York - Paris, wo er am 20. Mai 1927 landete, etwa 33,5 Stunden (Foto: dpa)
Der amerikanische Pilot Charles Lindbergh. Er überflog als Erster den Atlantik und benötigte für die rund 6000 km lange Strecke New York - Paris, wo er am 20. Mai 1927 landete, etwa 33,5 Stunden (Foto: dpa) dpa

München/Hamburg/dpa. - Erst wurde der ehemalige Postflieger und spätere Pan-Am-Direktorin den USA verfemt, weil ihm zu große Nähe zu den Nazis vorgeworfenwurde - später wurde er allerdings von Dwight D. Eisenhowerrehabilitiert und zum Brigadegeneral ernannt, ohne dass der Makel jeganz getilgt wurde. Denn er hatte sich auch öffentlich gegen denKriegseintritt der USA ausgesprochen; deshalb war er alsSchwarzseher, als Defätist, beschimpft worden.

Nun ist, wenn die «SZ» mit ihrer Aufsehen erregenden Reportage vomSamstag richtig liegt, sein Doppelleben von 1957 bis 1974, dem Jahrseines einsamen Todes auf der Hawaii-Insel Maui, öffentlich geworden.Charles Augustus Lindbergh hatte demnach die 24 Jahre jüngereHutmacherin Brigitte Hesshaimer 1957 in München kennen und liebengelernt. Ihre gemeinsamen Kinder - Dyrk, Astrid und David - sollenden Vater viele Jahre lang nur unter dem Pseudonym «Careu» gekannthaben. In ihren Geburtsurkunden steht laut «SZ»: «Vater unbekannt».

Tochter Astrid Bouteuil hat dem Blatt offenbart, dass sie erst alsErwachsene mehr durch Zufall die Identität ihres Vaters hat lüftenkönnen. Sie entdeckte vor Jahren einmal einen Artikel in einem«TimeLife»-Magazin, den ihre Mutter ihr fast wegriss. Später fand sieschließlich auf dem Speicher im Haus ihrer Mutter die nun berühmtenBriefe. Über 100 waren es, großenteils handschriftlich abgefasst. Eingraphologisches Gutachten diente der Zeitung als Beweis, dass dieSchreiben tatsächlich von Lindbergh stammten.

Nur ein einziges Mal sprach der Mann, der in den USA jahrelanggeächtet war, der auf eigene Faust im Zweiten Weltkrieg an derjapanischen Front ohne Rangabzeichen für die USA kämpfte, später nochdie US Air Force beriet und schließlich mit seinen preisgekröntenMemoiren für Aufsehen sorgte, in den Briefen von «unseren Kindern».

Geahnt habe Astrid Bouteuil immer, dass sich hinter dem offiziellverheimlichten Vater eine berühmte Persönlichkeit versteckt hielt,heißt es. Die Kinder hätten «Careu» lieben und schätzen gelernt, abersie bekamen ihn nur sehr selten zu Gesicht. «Wenn er da war», wirdDyrk zitiert, «dann hat er sich sehr um uns gekümmert. Andere Vätersaßen vor ihrem Bier, wir haben Ausflüge gemacht.»

Biograf A. Scott Berg zeigte sich in der «New York Times» vomWochenende angesichts der Version der Münchner Familie skeptisch. Ermeinte, die Briefe könnten zwar echt sein - das beweise aber nicht,dass Lindbergh eine Affäre oder Kinder mit Hesshaimer gehabt habe.«Ist es chronologisch oder geographisch möglich? Ja. Passt es zuseinem Charakter? Nein.»

Anne Morrow Lindbergh, das dürfte heute feststehen, hat inConnecticut wohl nie etwas von besagtem Doppelleben ihres Mannesgeahnt. Lindbergh ist immer seine eigenen Wege gegangen, er hattekaum wirkliche persönliche Freunde und erlebte in München offenbarein ganz neues ungewohntes Heimat- und Familiengefühl. So sehr erdarauf geachtet hat, dass seine amerikanischen Kinder einen starkenPlatz im Leben fanden, ein liebevoller Ehemann war er Anne Morrow,die später eine renommierte Schriftstellerin wurde, nie.

Charles A. Lindbergh, der «himmlische Teufelskerl», hat sich mitseinem denkwürdigen 33 Stunden und 30 Minuten langen einsamen Flugmit dem einmotorigen Schulterdecker, der nach seinen eigenenVorstellungen gebaut worden war, einen festen Platz in denGeschichtsbüchern rund um den Globus gesichert. Anfang der 30er Jahregeriet er auf makabre Art in die Schlagzeilen der Weltpresse.

Am 1. März 1932 wurde sein Sohn Charles entführt, 73 Tage späterder Leichnam des Kindes nach einer monatelangen Suche, an der sichganz Amerika beteiligt hatte, gefunden. Am 3. April 1936 wurde derdeutsche Zimmermann Richard Bruno Hauptmann wegen Entführung undErmordung auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Alle Indiziensprachen drückend gegen ihn, doch es blieb letztlich ein Aufsehenerregender Indizienprozess. Hauptmann hatte bis zuletzt seineUnschuld beteuert.