Argentinien Argentinien: Land des Tangos hat weltweit die meisten Psychologen

Buenos Aires/dpa. - Auch der Konkurrenzkampf um zahlungskräftige Patienten ist größerals andernorts. Selbst Werbung für den Gang in die Psycho-Praxis istin Buenos Aires keine Seltenheit. «Über Probleme reden, heißtanzufangen, sie zu lösen. Psychoanalyse. Individualtherapie.Paartherapie. Von Experten mit Uni-Abschluss», locken bunte Zettel,die auf der Straße verteilt werden.
«Ich gehe zum Psychologen, weil er der einzige Mensch ist, der mirnoch zu hört», sagt Margarita Romeo. Die 62-jährige Mitarbeiterineiner Fernsehagentur macht «den Stress, die Stadt und die Arbeit» fürihre Probleme verantwortlich. Adrian Soteno hat eine andere Theorie.«Es gibt viele Leute, die Psychologie studieren, weil sie sichschlecht fühlen. Dann finden sie heraus, dass sie sich selbst nichtheilen können und versuchen es an anderen», befindet der 52-jährigeLehrer.
Tatsächlich ist Argentinien im internationalen Psychologen-Vergleich Spitzenreiter. 60 000 Psychologen gibt es nach Angaben desGesundheitsministeriums im ganzen Land, mehr als 400 pro 100 000Einwohner. In den USA ist diese Rate rund vier Mal niedriger.
Für Inés Vidal, Präsidentin der «Psychoanalytischen VereinigungBuenos Aires», sind solche Zahlen Teil argentinischer Kultur undGeschichte. «Schon 1942 hat sich die Psychoanalyse in Argentinienetabliert. Gerade in den 60er und 70er Jahren hat sie inintellektuellen Kreisen viel Einfluss gehabt und sich starkentwickelt», erzählt die Psychiaterin. «Die Melancholie, dieEinsamkeit und die Sehnsucht gehören zur Tradition Argentiniens. Dashat zwei Seiten: Den Tango, das intensive Nachtleben, dasGefühlsbetonte, aber manchmal auch eine Dimension zu starker Gefühleund Traurigkeit», sagt Vidal.
Die Entwicklung des Gemütszustandes seit dem Zusammenbruch derWirtschaft sieht sie konträr zur gängigen Formel «Krise gleich mehrProbleme gleich mehr Menschen beim Psychologen». «Den Leuten fehltGeld, um für private Beratungsstunden zu zahlen. Dafür bilden sichlange Schlangen vor den öffentlichen Krankenhäusern mit Menschen, diealle psychologische Hilfe wollen.» Viele freiberufliche Psychologenhätten deshalb bereits finanzielle Probleme.
Des einen Leid, des andern Freud: Für einen Bruchteil der Kosteneiner Sitzung beim Experten lässt sich der Seelenfrieden amWochenende in den Parks der Stadt finden. Dort reihen sich Wahrsageran Astrologen, die einem zwischen Duftschwaden von RäucherstäbchenBeistand in allen Lebenslagen versprechen. Sei es mit Tarot-Kartenoder althergebrachten Techniken des Hand- und Augen-Lesens.Erfolgsquote? Hauptsache, es hört jemand zu.