Anstellen zum Airport-Test
Berlin/MZ. - Es ist bitter kalt. An den Shuttlebussen unweit der Airportworld, dem Flughafen-Informationszentrum nahe dem Bahnhof Schönefeld, bilden sich gestern gegen halb neun lange Schlangen. Gut zweihundert Komparsen müssen zum Flughafen gebracht werden. Niemand murrt. Auch später nicht, beim erneuten Anstehen vor dem Zelt der "Tester" auf dem neuen Flughafengelände nach 15 Minuten Busfahrt. Dort werden die Teilnehmerlisten abgeglichen. Jeder erhält eine giftgrüne Warnweste und einen Schutzhelm. Unter den angereisten Komparsen sind wahre Flughafen-Enthusiasten. Manche erzählen, wie die Bewerberseiten für den Flughafen-Probelauf im Internet tagelang wegen Überlastung nicht erreichbar waren. Rund 10 000 Komparsen hat die Flughafengesellschaft für den bis Mitte Mai jeden Dienstag und Donnerstag geplanten Probebetrieb gesucht. Mehr als 18 000 Interessenten haben sich gemeldet. Viele hoffen noch auf eine Chance auf der Warteliste.
Christa und Manfred Boy aus Schulzendorf, kaum zehn Kilometer vom Flughafen entfernt, sitzen an einem Bierzelttisch und sind begeistert, dass sie schon am ersten Tag dabei sein dürfen. Sie sind Vielflieger. Die Tochter des Rentnerehepaares lebt in Asien. "Wir sind froh, wenn wir nicht mehr nach Tegel müssen", sagt Christa Boy. Auch Ines Smolinski aus Waßmannsdorf lebt ganz in der Nähe. Sie hat sich schon vor einem Jahr als Komparsin beworben und ist mit einer Freundin gekommen. Für den Testlauf hat sich Smolinski freigenommen. An diesem ersten Tag begrüßt Flughafenchef Rainer Schwarz persönlich die Tester und wirkt ganz aufgekratzt. Schon seit November werden die Betriebsabläufe auf dem Airport erprobt. "Aber heute kommt der Kunde dazu", sagt Schwarz. "Sie nehmen ein wichtiges Stück in der Geschichte des Flughafens ein." Um kurz nach zehn werden endlich die Tickets verteilt. Mit der Lufthansa geht es nach München und Budapest, mit Air Berlin nach Wien und Oslo. Die Komparsen sollen für den ersten Flug zwei Koffer nehmen und für den zweiten einen. Dann werden sie zum Terminal chauffiert.
Zurück bleiben die "Transfer-Gäste". Das sind die, die aus Brasilien kommend auf dem Hauptstadt-Airport nur umsteigen. Sie müssen noch etwas warten, aber dafür keine Koffer schleppen. Und sie bekommen von den Mitarbeitern des Logistik-Teams, die normalerweise in Tegel und auf dem alten Flughafen Schönefeld arbeiten, vor Abfahrt ihrer Busse die etwas verunsichernde Anweisung: "Wie es dann weitergeht, müssen sie selbst sehen."
Im Flughafen-Terminal hilft der Herdentrieb. Vorbei an den mit Sprühfarbe beschrifteten Check-in-Schildern USA, China, Iran, Paris bahnt sich die Transfer-Gruppe den Weg über die Baustelle. Eine Frau stolpert über einen Topf mit Pinseln und schimpft. "Jetzt stinken meine Schuhe den ganzen Tag nach Farbverdünner." Angekommen im ersten Stock sind zwei junge Männer ganz angetan von der Holzvertäfelung in Nussbaum-Furnier: "Das hat Wohnzimmerflair. Was Edles", sagt Mark Neubauer. Er ist Flugbegleiter bei Air Berlin in Stuttgart, aber für den Testlauf mit seinem Kollegen Dawyane Smith privat angereist. "Man ist hier irgendwie Teil von etwas Besonderem", sagt Neubauer.
Weil nach der Passkontrolle die Transfer-Schilder noch fehlen, weisen Flughafen-Mitarbeiter den Weg zur Sicherheitskontrolle. Die Plastik-Kisten für Handgepäck und Mäntel reichen nicht. Wieder bilden sich Schlangen. Ein Teil der Förderbänder ist auf der staubigen Baustelle noch unter Planen geschützt. Dort, wo sie laufen, funktioniert die Kontrolle. Der Rucksack mit dem Laptop wird entdeckt und muss ein zweites Mal zum Durchleuchten aufs Band. Beim Testlauf wird niemand ungeduldig. Olaf Wilmsen aus Westend sagt: "Das ist doch eine irre Leistung, so etwas zu organisieren." Wilmsen macht gelegentlich Komparsen-Jobs, um sich zur Rente etwas hinzu zu verdienen. Dass es für den ganztätigen Flughafen-Test kein Salär gibt, ist ihm egal: "Wenn ich noch arbeiten würde, hätte ich mir dafür freigenommen."
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