1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Angeklagte schweigen zu Todesschüssen von Sittensen

Angeklagte schweigen zu Todesschüssen von Sittensen

09.01.2008, 12:55

Stade/dpa. - Knapp ein Jahr nach dem siebenfachen Mord in einem China-Restaurant im niedersächsischen Sittensen haben die fünf angeklagten Vietnamesen auch zum Auftakt des zweiten Prozesses ihr Schweigen nicht gebrochen.

Zu den schweren Vorwürfen der Anklage sagten die Verteidiger am Mittwoch vor dem Landgericht Stade unisono, dass ihre Mandanten zum derzeitigen Zeitpunkt keine Angaben machen würden. Vor der Verlesung der Anklage hatten die Anwälte eine Flut von Anträgen gestellt. Sie monierten wie bereits im ersten Prozess die Zusammensetzung der Kammer und mangelnde Akteneinsicht. Zudem kritisierten sie, dass noch immer nicht über eingereichte Haftbeschwerden entschieden wurde.

Drei der Vietnamesen sollen in der Nacht zum 5. Februar 2007 das Inhaber-Ehepaar des Restaurants «Lin Yue» sowie fünf Angestellte erschossen haben. Vier Angestellte lagen tot in verschiedenen Räumen des Restaurants. Ein siebtes Opfer erlag später seinen Schussverletzungen. Nur die kleine Tochter der Inhaber überlebte das Massaker. Die beiden anderen Angeklagten müssen sich wegen schweren Raubes oder Anstiftung zum Raub verantworten. Das Verfahren gegen die fünf Männer war im ersten Anlauf wegen einer schweren Erkrankung einer Richterin geplatzt.

Der Bremer Anwalt Bernhard Docke sprach in diesem Zusammenhang von einem «unvertretbaren Risiko und vermeidbaren Justizfehler», dass der erste Prozess ohne Ersatzrichter und -schöffen begonnen worden war. Er wie auch seine Kollegen forderten aufgrund der langen Untersuchungshaft eine Aussetzung der Haftbefehle. Es sei eine sehr belastende Situation auch für die Angeklagten. Im zweiten Anlauf des Prozesses hat das Gericht nun Ergänzungsrichter und -schöffen zu dem Verfahren bestellt.

Das Prozess muss völlig neu aufgerollt werden. Zeugen und Gutachter, die in den ersten 18 Verhandlungstagen zwischen Ende August und Dezember 2007 vernommen wurden, müssen erneut gehört werden. Das Gericht hat bis Ende Juni 52 Verhandlungstage angesetzt. Über die beanstandete Zusammensetzung der Kammer will das Gericht später entscheiden. Der Prozess wurde am ersten Tag bereits nach gut zwei Stunden wegen der Erkrankung eines Anwaltes beendet.

Die Verteidiger lieferten sich in der nur kurzen Verhandlung zum Auftakt einen Schlagabtausch mit der Staatsanwaltschaft. So bemängelte Anwalt Christian Rosse, dessen Mandant der Hauptbeschuldigte ist, «mangelnde Akteneinsicht» und «erhebliche Ermittlungsdefizite». Im Zusammenhang mit einem Überfall in Essen, an dem einer der Angeklagten zwei Wochen vor dem Blutbad in Sittensen beteiligt gewesen sein soll, würden den Verfahrensbeteiligten in Stade bis heute noch keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Die Staatsanwaltschaft wies die Kritik zurück, Hinweisen nicht nachgegangen zu sein.

Anwalt Armin von Döllen warf Staatsanwalt Johannes Kiers vor, dass es Widersprüche in den verschiedenen Anklagen geben würde. «Es können nicht alle geschossen haben. Was wollen sie nun anklagen?» Er könne im Moment nicht sagen, wogegen er seinen Mandanten verteidigen müsse. Allen drei Männern unter Mordanklage werde vorgeworfen, die tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben. «Es können kaum drei Personen den Finger am Abzug gehabt haben, wenn es nur eine Waffe gibt», sagte Kiers. Es gelte aber das Prinzip der Mittäterschaft.