Amokläufer hatte Hass als Motiv
Ansbach/dpa. - Hass auf die Schule und Angst vor der Zukunft waren die Motive für den Amokläufer von Ansbach. «Er fühlte sich ungerecht behandelt durch die Schule, die Gesellschaft».
Das sagte Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger am Montag in Ansbach nach der Auswertung eines etwa 80 Seiten starken Dokuments. Darin hatte Georg R. die Gründe für seine Bluttat am vergangenen Donnerstag am Carolinum-Gymnasium festgehalten. Er erwähnte auch Furcht vor einer schweren Krankheit und die Sorge, das Abitur nicht zu bestehen.
Der Abiturient habe in dem tagebuchähnlichen Schriftstück, das die Ermittler auf seinem Laptop gefunden hätten, einen Monolog mit einem fiktiven Mädchen geführt. «Wir wissen nicht, ob diese Person existiert. Er hat diese Person mit einem Namen angesprochen.» Wie der 18-Jährige das Mädchen genannt hat, wollte die Oberstaatsanwältin nicht sagen, ergänzte aber: «Er schildert ihr die Planung der Tat und sein Ziel, möglichst viele Schüler und Lehrer zu töten und das Schulgebäude niederzubrennen.»
Georg R. konnte bisher noch nicht vernommen werden. Am Vormittag des 17. September war der 18-Jährige mit fünf Molotow-Cocktails, Messern und einem Beil in seine Schule gestürmt und hatte einen Lehrer und neun Schüler verletzt. Zwei Mädchen schwebten zeitweise in Lebensgefahr, ihr Zustand habe sich aber mittlerweile stabilisiert, sagte Lehnberger. Der Amokläufer, den die Polizei mit drei Schüssen auf einer Schultoilette niedergestreckt hatte, erwachte am Montag aus dem künstlichen Koma. Der Haftbefehl wegen versuchten Mordes konnte ihm aber noch nicht eröffnet werden.
Der Schüler trug nach Angaben der Ermittler während der Tat ein T- Shirt mit der Aufschrift «Made in School». Er habe sich auch ausgegrenzt und nicht anerkannt gefühlt. «Er hätte auch gern eine Freundin gehabt, was ihm nicht gelungen ist», sagte Lehnberger. In seinem Schreiben habe Georg R. darüber hinaus betont, dass seine Eltern nicht für die Tat verantwortlich seien. «Er wollte nicht mehr leben», sagte Lehnberger.
Wie der ermittlungsführende Staatsanwalt Jürgen Krach erläuterte, hatte Georg R. das Dokument im A4-Format im Frühjahr angelegt. Erste Eintragungen stammten vom April und Mai, wo er bereits den Amoklauf erwähnt habe. «Hier benennt der Verfasser die Bewaffnung, die tatsächlich zum Einsatz kam.» Anfang Juni habe sich der Schüler auf den dritten Stock und den Tattag festgelegt. Auch für seine Kleidung habe er sich damals schon entschieden.
Die Ermittler glauben, dass das Schriftstück, das unter den gelöschten Dateien gefunden wurde, tatsächlich von Georg R. stammt. Bei der Durchsuchung seines Zimmers seien ein Testament, ein Kalender mit dem Eintrag «apocalypse today» (Apokalypse heute) für den 17. September 2009, aber keine Gewaltvideos oder sogenannte Killerspiele gefunden worden, die ihn zum Amoklauf motiviert haben könnten. «Er benennt die Tat von Erfurt als eine Möglichkeit, die ihn vielleicht beeinflusst habe», erklärte Krach mit Blick auf die Bluttat am Erfurter Gutenberg-Gymnasium mit 17 Toten im Jahr 2002.
Mittlerweile hat die Polizei 63 Zeugen vernommen. Die Spurensicherung ist nach den Worten von Kripo-Inspektionsleiter Hermann Lennert abgeschlossen. Anders als bisher angenommen sei der Täter nur mit drei statt fünf Schüssen aufgehalten worden. Zuvor war Georg R. in den dritten Stock seiner Schule gelaufen und hatte zwei Brandsätze in die Klasse 10b geworfen. Die Kleider von Schülern fingen Feuer, auch Tische und Stühle brannten. Als die Schüler in Panik aus dem Zimmer gerannt kamen, hatte der Amokläufer mit der Axt wahllos auf sie eingeschlagen. Eine 15-Jährige hatte dabei ein offenes Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Den Fliehenden hatte der 18-Jährige dann weitere Brandsätze hintergeworfen, auch in ein anderes Klassenzimmer. Im Flur war eine Lehrerin später auf Georg R. getroffen. «Dieser richtete auf sie einen Feuerstrahl», sagte Lennert. «Wir wissen nicht, wie er vom Täter verursacht wurde.»
Mit Blick auf die kommenden Tage sagte Oberstaatsanwältin Lehnberger, ein psychiatrischer Gutachter werde nun den Täter untersuchen, um die Schuldfrage zu klären. Hinweise auf Mittäter gebe es nicht. Am Dienstag sollte an dem Gymnasium der Unterricht wieder aufgenommen werden.