Amoklauf in Emsdetten Amoklauf in Emsdetten: Schüler kämpfen gegen Trauma

Emsdetten/dpa. - Geistliche derbeiden großen christlichen Kirchen schlossen in ihre Fürbitten auchden 18 Jahre alten Täter und dessen Hinterbliebene ein. «Wir sinderschrocken über eine solche Ausweglosigkeit», sagte der katholischeRegionalbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Schülern und Lehrernhätten sich «Bilder von unerklärlichem Hass und blinderZerstörungswut geboten».
Die Tat habe viele Debatten ausgelöst, sagte der Präses derEvangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß. «Das ist allesrichtig. Aber treffen sie auch den Kern des Problems?» Es gehe darum,füreinander da zu sein. «Das ist schwerer, als Videospiele und Gewaltzu verbieten.»
Für die rund 700 Schüler der Geschwister-Scholl-Realschule gab esan diesem Tag keinen regulären Unterricht. Stattdessen sprachen siemit Lehrern, Seelsorgern und Psychologen über die Ereignisse. Wanndas Schulgebäude wieder genutzt werden kann, stehe noch nicht fest,sagte Bürgermeister Georg Moenikes. Die älteren Schüler wurden aufErsatz-Klassenzimmer anderer Schulen in Emsdetten verteilt aber auchdort noch nicht regulär unterrichtet.
Derweil ging die politische Diskussion um Konsequenzen aus demAmoklauf weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin,die Eltern müssten in ihrem Erziehungsauftrag gestärkt und denKommunen müsse geholfen werden. Die Bundesregierung denkt auch überMaßnahmen gegen gewaltverherrlichende Computerspiele nach. Deraktuelle Fall zeige erneut, dass bei solchen Spielen eine grenzenloseToleranz «nicht angezeigt ist», sagte ein Sprecher desInnenministeriums.
Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, MonikaGriefahn, hält die Vorschläge für ein Verbot von Killerspielen für«populistisch». Gutachter des Deutschen Bundestages räumten einemgesetzlichen Verbot aber gute Chancen ein. Auch der nordrhein-westfälische Landtag will sich damit beschäftigen, wie Gewalt anSchulen eingedämmt werden kann.
Elterninitiativen und Psychologen forderten, die professionelleHilfe an Schulen zu verstärken. «Es gibt sehr deutlicheVerhaltensindikatoren, die darauf hinweisen, dass sich jemand auf demWeg zu einer solchen Gewalttat befindet», sagte der Psychologe JensHoffmann von der Technischen Universität Darmstadt der dpa. Wenn sierechtzeitig erkannt würden, könnten solche Amokläufe verhindertwerden. Ein Schulpsychologe muss sich in vielen RegionenDeutschlands durchschnittlich um mehrere tausend Schüler kümmern,ergab eine dpa-Umfrage.
Am Montag hatte der 18-Jährige aus Frust und Hass auf seineehemalige Schule wahllos in Gruppen von Schülern geschossen undRohrbomben gezündet. Insgesamt wurden 37 Menschen verletzt, einigedavon schwer. Sebastian B., der seine Tat zuvor im Internetangekündigt und offenbar minutiös geplant hatte, tötete sichanschließend selbst mit einem Schuss in den Mund.
Die Ermittler haben inzwischen die Herkunft der Schusswaffen zumTeil geklärt. Demnach stammen zwei so genannte Vorderladerwaffen voneinem Internet-Verkaufsportal mit Sitz in Darmstadt (Hessen). Waffendieser Art sind - im Gegensatz zu dem zum Abfeuern benötigtenSchwarzpulver - frei im Handel erhältlich. Waffenzubehör habeSebastian B. über ein Internetauktionshaus gekauft, sagteOberstaatsanwalt Wolfgang Schweer in Münster. Unklar sei noch, woherdas Kleinkalibergewehr stammte, das der Mann ebenfalls mit sichführte. «Das hätte er keinesfalls besitzen dürfen», sagte Schweer.
Bis zum Mittwoch hatten Polizei und Staatsanwaltschaft seinenAngaben zufolge mehr als 100 Zeugen vernommen, darunter auchverletzte Schüler und Lehrer. Auch durch umfangreicheInternetrecherchen wollen die Ermittler versuchen, die Hintergründeder Tat zu klären. «Der Täter hat sehr viele Spuren im Internetgelegt», sagte Schweer. Die Ermittler seien sich sicher, dass der 18-Jährige dies bewusst gemacht habe, um Öffentlichkeitswirkung zuerzielen. Einen Abschiedsbrief, Tagebücher und andere Internet-Schriftstücke stufte Schweer als authentisch ein.
Alle weiteren Personen, die auf Internet-Videos von Kriegsspielenim Wald zu sehen sind, seien inzwischen von den Ermittlungsbehördenvernommen worden. «Wir haben keinerlei Anhaltspunkte für eineMittäterschaft oder eine Mitwisserschaft», sagte derOberstaatsanwalt.
