Absturz Absturz: NASA war vielfach gewarnt

Washington/dpa. - Nach großen Katastrophen wollen immer viele schon vorher gewusst haben, das Böses schwante. Das ist auch bei der «Columbia»-Katastrophe nicht anders. Sparzwänge hätten zu unverantwortlichen Sicherheitskompromissen geführt, heißt es jetzt. Die Weltraumbehörde NASA hat einen schweren Stand, sich gegen die Vorwürfe zu wehren. Tatsächlich hatte es vor dem tödlichen Unglück am vergangenen Samstag, dem ersten seit 17 Jahren, Warnungen zur Genüge gegeben.
Erst vor sechs Monaten warnte der pensionierte NASA-Ingenieur Don Nelson US-Präsident George W. Bush persönlich und drängte darauf, die Shuttleflüge auf der Stelle einzustellen. «Sie müssen sich darum kümmern, um ein weiteres katastrophales Shuttle-Unglück zu verhindern», warnte Nelson unter Verweis auf das Challenger-Unglück 1986. Das NASA-Management reagiere auf Warnzeichen nicht mehr.
«Ich habe mir noch nie größere Sorgen über die Sicherheit der Shuttles gemacht als heute», sagte der Vorsitzende des Beirats für Raumfahrtsicherheit, Richard Blomberg, vergangenen April vor einem Kongressausschuss. Einsparungen machten es unmöglich, den Sicherheitsstandard zu halten, geschweige denn, zu verbessern.
Vor zwei Jahren förderte der damalige Chef des NASA- Forschungszentrums in Ames (Kalifornien) schwere Mängel zu Tage. Bei der Wartung der Shuttle werde geschludert und die Inspektionen seien reduziert worden, schrieb Henry McDonald. Er empfahl 100 neue Sicherheitsmaßnahmen. «Ob ich glaube, die Empfehlungen wurden umgesetzt? Nein, mir ist klar, dass die Kosten im Weg standen», sagte McDonald der «Los Angeles Times».
Schon 1990 waren erhebliche Zweifel an der Verlässlichkeit der Hitze abweisende Kacheln erhoben worden, die jetzt ins Blickfeld der Ermittler gerückt sind. Im Auftrag der NASA kamen Wissenschaftler der Stanford-Universität zu dem Schluss, dass der Verlust einer einzigen Kachel eine Kettenreaktion auslösen könnte.
Die Hitze bei der Rückkehr des Shuttles zur Erde «könnte genau an der Stelle ein Loch in die Aluminiumummantlung der Raumfähre brennen und wichtige Systeme bloßlegen oder zerstören, was zum Verlust der Fähre und der Crew führen würde», schrieben die Autoren. Genau das könnte bei der «Columbia» passiert sein, vermuten die Ermittler.
In den 90er Jahren habe die NASA mit ihrem Mantra «billiger, besser, schneller» den Kernpunkt der Raumfahrtsicherheit vernachlässigt, schrieb die Raumfahrtjournalistin Alcestis Oberg, nämlich: «Um die Dinge vernünftig zu machen, braucht man Zeit und Geld.» Oberg hatte nach eigenen Angaben jahrelang in Houston mit den NASA-Astronauten zu tun und schied - entsetzt über die Folgen der Sparmaßnahmen - vor zehn Jahren aus einem NASA-Programm aus, das Journalisten auf einen möglichen Weltraumflug vorbereitete. «Die sinnlose Einsparerei liegt im Zentrum des katastrophalen Endes der "Columbia"», meint sie.
1996, als die Kosten für die Shuttlestarts aus dem Ruder liefen, übertrug die Regierung das Management des Shuttle-Programms einer Privatfirma. United Space Alliance ist ein Joint Venture von Boeing und Lockheed Martin. Nach einer Studie des Rand-Instituts wurde das Wartungspersonal für die Shuttles bis 1999 von 3000 auf 1800 reduziert. Die Kosten für jeden Shuttle-Flug sanken von 600 auf 400 Millionen Dollar. Aber auch der Direktor von United Space sah mit dem Sparzwang der Regierung Unheil: «Wir bewegen uns auf die Mitte des Sees zu und das Eis wird immer dünner», sagte Michael McCulley vor eineinhalb Jahren vor einem Kongressausschuss.
NASA-Chef Sean O'Keefe weist Vorwürfe, die NASA habe das Leben der Astronauten mit ihrem Drang zu Sparen aufs Spiel gesetzt, zurück. Bei allen Sparzwängen sei die Sicherheit immer oberstes Gebot gewesen.


