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80. Geburtstag 80. Geburtstag: Herzlichen Glückwunsch, Oswalt Kolle!

Von Thomas Burmeister 01.10.2008, 07:17
Sexual-Aufklärer Oswald Kolle in seiner Wohnung in Amsterdam (Niederlande). Am 2. Oktober 2008 feiert er seinen 80. Geburtstag. (Foto: dpa)
Sexual-Aufklärer Oswald Kolle in seiner Wohnung in Amsterdam (Niederlande). Am 2. Oktober 2008 feiert er seinen 80. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa

Amsterdam/dpa. - Am Donnerstag (2. Oktober) wird Kolle 80 Jahre alt. Doch ein Pensionärsdaseinkommt für den einstigen «Bürgerschreck», der in den Sechzigern die Revolution in die Schlafzimmer trug, nicht infrage. Seine heutige Mission heißt «Sex im Alter» - und zwar als Auftrag, nicht als Frage.

Wie viel es bei dem Thema für Kolle noch zu tun gibt, kann erallein schon an einer Kneipentheke in seiner AmsterdamerNachbarschaft ablesen: «Sex über 50 ist wie Billardspielen mit einem Tau», steht da auf einer Spruchtafel. «Natürlich ist das blanker Unsinn», schimpft Kolle. Um gegen solche Vorurteile anzukämpfen zieht er rastlos weiter durch die Lande: «Ich sage den Alten: Keine Angst vor dem Sex! Seid zärtlich, streichelt euch bis die Flammen in euch aufsteigen. Und wenn es nicht mehr so geht, wozu gibt es Viagra?»

Nicht selten werde er von weißhaarigen Damen gefragt, ob solcheMittel nicht «aus Opas Potenzteufel» machen, erzählt der 80-Jährige, der noch gut und gern für 60 durchgeht. «Ich erkläre ihnen, dass diese Erektionshilfen nur bei Stimulanz funktionieren.» Und mit Schalk in den Augen fügt er hinzu: «Wenn Opi so eine Pille nimmt und dann sein Auto wäscht, passiert dabei nur dann etwas, wenn er in seinen Wagen auf eine Art verliebt ist, dass dies schon wieder ineine andere Abteilung der Sexualität gehört.»

Kolle war der Sexpionier des Westens. Der in Kiel geboreneJournalist und Filmemacher wollte die körperliche Liebe von Zwängen, Verboten und Verunglimpfungen befreien. Dafür sagte er dem «Muff deschristlichen Adenauerstaates» den Kampf an. Am Anfang stand eineZeitschriftenreihe über Kinder, Frauen und Männer als «unbekannteWesen». Es folgten Bücher und Filme mit Titeln wie «Das Wunder derLiebe», «Sexuelle Partnerschaft» oder «Liebe als Gesellschaftsspiel».

Das Echo war geteilt. Millionen sahen Kolle als weltlichenErlöser. Konservative Tugendwächter schimpften ihn «Perverser». DieFilmzensur stufte mehrere seiner Nacktfilme als jugendgefährdend ein.Heute sieht er seine Mission - «ein Klima mitzuschaffen, in demAnti-Sexualität nicht mehr gedeiht» - längst als erfüllt an. DieBundesrepublik sei ähnlich tolerant geworden wie seine Wahlheimat,die Niederlande. «Doch wenn man mir damals einer gesagt hätte, dasses 2008 in Deutschland zwei Chefs von Landesregierungen geben wird,die sich dazu bekennen, schwul zu sein, hätte ich ihn ausgelacht.»

Amsterdam erschien Kolle Anfang der Siebziger angesichts derAufregung, die seine Veröffentlichungen in Deutschland stetsauslösten, wie eine Insel der Ruhe. Zudem fand er die deutschenAchtundsechziger in Sachen Sexualität eher langweilig: «Die glaubten,man kann hundert Jahre sexuelle Unterdrückung mit ein paar nacktenÄrschen auf dem Tisch des Bürgermeisters beseitigen.»

In Holland hingegen erlebte er «eine enorme Freiheit und Toleranz,Offenheit und Ehrlichkeit beim Thema Sexualität». Die Amsterdamerbegegneten dem «Sex-Guru» aus dem Nachbarland, der Niederländischheute noch mit dem «Prinz-Bernhard-Akzent» des deutschen Gatten derdamaligen Königin Juliana spricht, mit freundlicher Gelassenheit. «Sowurde ich ein treuer Untertan der Königin.»

Treu stimmt mittlerweile auch im wahrsten Sinne des Wortes: ZweiJahre nach dem Tod seiner Frau Marlies, mit der Kolle «Freiräume inder Ehe» vereinbart hatte, verliebte er sich 2002 in die verwitweteSprachtherapeutin Josee del Ferro. Die heute 68-Jährige halte nichtsvon häufigen Bettenwechseln, sagt Kolle. «Deshalb lebe ich seitsechseinhalb Jahren absolut monogam, und ich finde es wunderbar.»