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75. Geburtstag 75. Geburtstag: Dalai Lama bereut «nicht geheiratet zu haben»

Von Stefan Mentschel 06.07.2010, 08:30
Der Dalai Lama ist seit Jahrzehnten das Sinnbild des gewaltlosen Widerstands der Tibeter gegen die chinesische Besatzung. (FOTO: DPA)
Der Dalai Lama ist seit Jahrzehnten das Sinnbild des gewaltlosen Widerstands der Tibeter gegen die chinesische Besatzung. (FOTO: DPA) dpa

Neu Delhi/dpa. - Die kleine Propellermaschine von Neu Delhi nachDharamsala ist startbereit. Aber die Passagiere müssen sich gedulden.Man erwarte noch Gäste, entschuldigen sich die Stewardessen, als dieMinuten verrinnen. Plötzlich Unruhe. Auf dem Rollfeld bremsen dunkleLimousinen. Türen werden aufgerissen. Ein orangefarbenes Gewand wirdsichtbar. «Er ist es!», ruft jemand. Und Augenblicke später steht«er» leibhaftig zwischen den Sitzreihen und grüßt freundlich in dieRunde - der Dalai Lama, gerade von einer seiner vielen Auslandsreisenzurückgekehrt und nun auf dem Rückweg in sein nordindisches Exil.

Mehr als zwei Drittel seines Lebens hat der buddhistische Gelehrteund geistliche Führer der Tibeter, der an diesem Dienstag 75 Jahrealt wird, bereits in der Kleinstadt am Fuße des Himalaja verbracht.Zehntausende Landsleute folgten ihm im Laufe der Jahrzehnte. Durchsie wurde Dharamsala zu «Little Lhasa» und zu einem Zentrum desfriedlichen Widerstands gegen die chinesische Besatzung Tibets.

Beim Einmarsch der Chinesen in das tibetische Hochland 1950 warTenzin Gyatso, so sein Mönchsname, noch ein Teenager. Gleichwohllasteten auf ihm - der 14. Reinkarnation des Dalai Lama - dieHoffnungen seines Volkes. Als deren spirituelles und politischesOberhaupt suchte er das Gespräch mit der Führung in Peking, dieTibets Anschluss an China längst beschlossen hatte. Neun Jahrespäter, auf dem Höhepunkt des Tibet-Aufstands, floh der Dalai Lamanach Indien und ist seitdem nicht in seine Heimat zurückgekehrt.

Animierte Grafik: Der Dalai Lama
Der Flüchtling machte Dharamsala zum Sitz der von keinem Land derWelt anerkannten tibetischen Exilregierung. Hier entwickelte er seinePolitik, die er als «Weg der Mitte» beschreibt und deren BotschaftenGewaltfreiheit und Aussöhnung sind. Das Ziel: Durch Dialog mit derchinesischen Regierung soll eine «echte Autonomie» mit kulturellenund religiösen Freiheiten für die Tibeter innerhalb der Volksrepublikherbeigeführt werden. Bereits 1989 erhielt der Dalai Lama dafür denFriedensnobelpreis, durch den der Kampf der Tibeter weltweit bekanntund zu einem Synonym für gewaltlosen Widerstand wurde.

Bei vielen Exiltibetern ist diese Politik inzwischen jedochumstritten. Vor allem junge Aktivisten glauben, dass die Forderungnach Autonomie nach dem Scheitern zahlreicher Verhandlungsrunden mitPeking keinen Sinn mehr habe. Sie wünschen sich die UnabhängigkeitTibets und sind auch bereit, dafür zu kämpfen.

Der Dalai Lama weiß um die Ungeduld der tibetischen Jugend, hältaber am gewaltfreien «Weg der Mitte» fest. Nach Jahrzehnten im Exilsei es bereits eine «große Errungenschaft», dass das Tibet-Problemnach wie vor lebendig sei und auch die internationale Gemeinschaftgroßen Anteil daran nehme, sagte er im vergangenen Jahr inDharamsala. «Von diesem Standpunkt gesehen, habe ich keinen Zweifel,dass die Gerechtigkeit eines Tages die Oberhand gewinnen wird.»

Mit dieser Beharrlichkeit fasziniert der Dalai Lama rund um denGlobus seine Anhänger. In Europa und Nordamerika strömen regelmäßigZehntausende zu Vorträgen und religiösen Unterweisungen. Eine halbeMillion Menschen folgen ihm bei Twitter. Auch sein Geburtstag sollweltweit gefeiert werden. Unter anderem ist in London ein Konzertgeplant. Dass der Dalai Lama auch charmant und witzig ist, erlebenmeist Gäste kleinerer Veranstaltungen. So wurde er vor einiger Zeitin Neu Delhi gefragt, was er denn in seinem Leben am meisten bereue.Die Antwort vom Podium kam prompt: «Nicht geheiratet zu haben.»