Schule 532 Lehrkräfte mehr – doch der Mangel bleibt
Eltern klagen seit Jahren über zu viel Unterrichtsausfall an Niedersachsens Schulen. Ein Grund dafür sind steigende Schülerzahlen. Kommt das Land mit der Einstellung neuer Lehrkräfte noch hinterher?
Hannover - Rund 530 Lehrerinnen und Lehrer mehr als im Vorjahr sind an Niedersachsens Schulen aktiv – allerdings gibt es auch deutlich mehr Schülerinnen und Schüler. Die Unterrichtsversorgung, die angibt, ob es für den Unterricht genügend Lehrkräfte gibt, stagniert daher bei 96,9 Prozent. Der Wert ist unverändert zu 2023, wie Kultusministerin Julia Willie Hamburg sagte.
Die Grünen-Politikerin sprach von einer Stabilisierung bei wachsenden Qualitätsansprüchen. „Jede weitere Lehrkraft hilft uns angesichts steigender Schülerzahlen und steigender Bedarfe, dem Abwärtstrend – also einer sinkenden Unterrichtsversorgung – entgegenzuwirken“, sagte Hamburg.
Etwas mehr Lehrerzeit pro Schüler
Leicht verbessert hat sich die Lehrer-Schüler-Relation: Pro Schüler standen rechnerisch 1,69 Lehrerstunden zur Verfügung (2023: 1,67). Das Ministerium sieht darin ein Zeichen für mehr Bildungsqualität. Der rechnerische Soll-Wert beträgt allerdings 1,74 Stunden.
Im Jahr 2024 stellte das Land insgesamt 2.296 Lehrkräfte neu ein. Gleichzeitig schieden 1.764 Lehrkräfte aus. Zum 1. Februar 2025 sind von 1.160 ausgeschriebenen Stellen bisher 863 besetzt worden. Über das gesamte Jahr hinweg sollen 2.460 Stellen ausgeschrieben werden. Insgesamt unterrichten mehr als 71.000 Lehrerinnen und Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen.
Fast 882.000 Kinder gehen zur Schule
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler stieg um rund 4.600 auf 881.745. Gründe dafür sind gestiegene Geburtenzahlen, aber auch die Migration.
Der Anstieg fiel etwas geringer aus, als es das Ministerium erwartet hatte. An den Grundschulen führt er dennoch zu einer niedrigeren Unterrichtsversorgung.
Mehr Lehrer, mehr Schüler - höhere Ansprüche?
Zugenommen haben in den letzten Jahren auch die Erwartungen, die die Schulen erfüllen sollen - die Inklusion von Kindern mit Einschränkungen oder Behinderungen etwa, die Einführung der Ganztagsschule und zunehmende Sprachförderung.
Mit anderen Worten: Die Messlatte - das Stunden-Soll pro Schüler - liegt heute höher als früher. Auch das schlägt sich in Zahlen nieder. So war die Unterrichtsversorgung 2012 mit 102 Prozent zwar deutlich besser. Allerdings standen damals weniger Lehrerstunden pro Schüler zur Verfügung (1,55).
„Man kann die Schule 2012 nicht mit heute vergleichen, weil wir die Qualität gesteigert haben“, sagte Ministerin Hamburg. „Pro Kind haben wir mehr Zeit, und trotzdem noch nicht so viel Zeit, wie wir wollen.“
Was die Opposition im Landtag fordert
Der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Fühner wirft Ministerin Hamburg eine halbherzige Schulpolitik vor. „Es mangelt an entschlossenem Handeln, und der Unterrichtsausfall bleibt unverändert hoch“, sagte Fühner. Diesen Zustand könne man sich nicht länger leisten. Unter anderem brauche es bessere Angebote, um Quereinsteiger und Pensionäre anzuwerben.
Die AfD fordert, Ganztagsschulen nur noch auf offener Basis zu betreiben. „Wenn Eltern frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder an Ganztagsangeboten teilnehmen lassen, sinkt automatisch der Bedarf an Lehrerstunden“, sagte der AfD-Abgeordnete Harm Rykena. „Die frei werdenden Stunden werden dringend für den Unterricht am Vormittag benötigt.“
Langfristig müsse zudem die Lehrerausbildung reformiert werden, sagte Rykena. So könnten „Lehrer-Azubis“ Praxis und Theorie in einer dualen Ausbildung lernen.
Schüler wollen Umverteilung von Lehrkräften
Der Landesschülerrat dringt darauf, die Lehrkräfte gerechter zwischen den verschiedenen Schulformen zu verteilen. „Wir fordern das Kultusministerium dazu auf, Lehrkräfte von den Gymnasien gezielt an Schulen umzuleiten, die deutlich unterbesetzt sind“, sagte der Vorsitzende Matteo Feind. Auch der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte kritisierte, dass Lehrerinnen und Lehrer gerade an nicht-gymnasialen Schulformen fehlten.
Der Bildungsgewerkschaft GEW zufolge gibt es einen Personalnotstand vor allem in ländlichen Regionen. „Es gibt teilweise kleine Grundschulen, die außer der Schulleitung keine Stammlehrkräfte haben, sondern nur von Abordnungen leben“, sagte Landeschef Stefan Störmer.