Demokratie 100 Jahre „Reichsbanner“ - Felgentreu: Wachsam sein
Als die Sozialdemokraten nicht zu den Waffen riefen: Vor 100 Jahren wurde das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zum Schutz der Republik gegründet, dann von den Nazis verboten.
Berlin - Der Vorsitzende des vor 100 Jahren gegründeten Bündnisses „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, Fritz Felgentreu, hat zu einem entschlossenen Engagement für die Verteidigung der Demokratie aufgerufen. „Die Demokratie ist nie so gefestigt, dass man darauf verzichten könnte, etwas für ihren Schutz zu tun“, warnte der langjährige SPD-Verteidigungsexperte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage in Deutschland sei nicht wie im Jahr 1933. „Aber auch in unserer Zeit ist die Demokratie bedroht. Auch in unserer Zeit hat sie Feinde. Und dem Gegenüber wachsam zu sein und abwehrbereit, das ist die entscheidende Lektion aus der Geschichte des Reichsbanners.“
Am 22. Februar 1924 wurde das überparteiliche und sozialdemokratisch geprägte Bündnis zum Schutz der Demokratie in Magdeburg gegründet. Auch Mitglieder der liberalen Deutschen Demokratischen Partei und der katholischen Zentrumspartei waren dabei. Die Weimarer Republik stand von Beginn an auf wackligen Beinen. Links- und rechtsextremistische Putschversuche kennzeichneten die Anfangsjahre. Dem wollten Demokraten mit dem Reichsbanner etwas entgegensetzen.
Sogenannte Wehrverbände gehörten damals zur Freizeitbeschäftigung vieler Männer. Auch der Stahlhelm, der Bund der Frontsoldaten, war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Magdeburg gegründet worden. Dieser Bund agierte laut dem Deutschen Historischen Museum „in eindeutiger Opposition zum politischen System der Weimarer Republik“. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold hingegen setzte sich für den Schutz der parlamentarischen Demokratie ein, stellte sich aber nicht als bewaffnete Miliz auf und legte keine organisierten Waffendepots an.
Das Reichsbanner habe die Parteienkonstellation der „Weimarer Koalition“ verkörpert und sich für den Schutz der Republik und ihrer Verfassung eingesetzt, schreibt das Deutsche Historische Museum. „Es verfolgte sowohl zivile als auch paramilitärische Ziele und war mit über 1,5 Millionen Mitgliedern die größte politische Massenorganisation der Weimarer Republik. Hauptgegner war in den 1920er Jahren der deutschnationale Stahlhelm. Anfang der 1930er Jahre gerieten Reichsbannermitglieder vermehrt in mitunter tödliche Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA).“
Im März 1933 wurde das Reichsbanner von den Nazis verboten. Überliefert sind auch Briefe, wie die überwiegend unbewaffneten Reichsbanner-Männer - es waren nur Männer - von der SPD-Führung mehr Entschlossenheit und eine Ansage forderten, allerdings vergeblich. Die Uniformen, Fahnen und Abzeichen der Demokraten sind heute - ohne den historischen Hintergrund zu kennen - in ihrem freiheitlichen Wesenskern nicht sofort zu erfassen.
Felgentreu ist überzeugt, dass sich die Denkmuster der Feinde der Demokratie „gar nicht so wahnsinnig verändert haben“. „Es gibt so ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber der Demokratie und ihrer scheinbar zügellosen Freiheit, das immer wieder mobilisierbar ist. Aber die Kommunikationswege sind heute andere.“ So sei zwischen dem auswärtigen Feind und dem inneren Feind „angesichts der Schlachten in den sozialen Medien gar keine saubere Trennlinie zu ziehen“.
Der Name Reichsbanner - wie auch Schwarz-Rot-Gold - löse bei vielen ein „Störgefühl“ aus, sagte Felgentreu, der nach langen Jahren im Bundestag nun Lehrer im Berliner Schuldienst ist. „Damit assoziieren viele, wenn sie das zum ersten Mal hören, eine rechte Bewegung. Damit assoziieren sie Reichsbürger und dergleichen mehr. Dieses Störgefühl ist etwas, was wir produktiv nutzen wollen, um genau über die Dinge, die uns wichtig sind, ins Gespräch zu kommen.“ Denn die ersten Assoziationen erweisen sich als falsch. Der heute 800 Mitglieder zählende Verein trete für die die Werte der Demokratie ein, „und dass dafür eben auch die Farben Schwarz-Rot-Gold stehen, die wir uns von niemandem streitig machen lassen wollen“.