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100 Jahre Filtertüte 100 Jahre Filtertüte: Dresdnerin schrieb Kaffeegeschichte

Von Gudrun Janicke 27.02.2008, 07:06
Das undatierte Archivbild zeigt ein Porträt der am 31. Januar 1873 in Dresden als Tochter eines Verlagsbuchhändlers geborenen Amalie Auguste Melitta Bentz neben ihrer Erfindung aus dem Jahr 1908. Mit 35 Jahren erfand die Hausfrau und Mutter Melitta Bentz den Kaffeefilter. (Foto: dpa)
Das undatierte Archivbild zeigt ein Porträt der am 31. Januar 1873 in Dresden als Tochter eines Verlagsbuchhändlers geborenen Amalie Auguste Melitta Bentz neben ihrer Erfindung aus dem Jahr 1908. Mit 35 Jahren erfand die Hausfrau und Mutter Melitta Bentz den Kaffeefilter. (Foto: dpa) Melitta

Dresden/dpa. - Mit ihrer Erfindung brachte die Dresdnerin Melitta Bentz die Deutschen erst so richtig auf den Geschmack: Vor100 Jahren begann für den nach ihrem Vornamen benannten Kaffeefiltervon Sachsen aus die Eroberung der Welt. Für eingefleischte Liebhaberder anregenden Flüssigkeit bleibt Filterkaffee trotz modischerVarianten wie Caffe Latte, Espresso oder Cappuccino aktuell wie ehund je. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes mit Sitz inHamburg tranken die Bürger 2006 im Schnitt 146 Liter Kaffee - mehrals Mineralwasser und Bier.

Als echte Sächsin liebte die 1873 geborene Haus- und GeschäftsfrauMelitta Bentz ihr «Schälchen Heeßen» - frisch aufgebrühten Kaffee.Ärgerlich fand sie nur, dass zwischen den Zähnen Krümel hafteten. DasProblem löste sie auf heute bekannte Art - mit einem Filter. Dabeilegte sie ein Stück Löschpapier aus der Schultasche ihres Sohnes aufden Boden einer durchlöcherten Blechdose, berichtet das heute inMinden (Westfalen) beheimatete Familienunternehmen Melitta. Auf dasPapier kam die entsprechende Portion frisch gemahlener Kaffee. DasGanze wurde mit kochendem Wasser übergossen und das Lebensgeisterweckende Elixier tröpfelte in reiner Form in die Kanne.

Die Liebe der «Kaffee-Sachsen» zum edlen Getränk istsprichwörtlich, der Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach(1685-1750) verewigte sie in einer Kaffee-Kantate. Der sächsischeKurfürst und Polen-König August der Starke (1670-1733) schätzte feinePorzellane für den Genuss von Kaffee und Tee. Und in Leipzig stehteines der ältesten Cafes der Welt: der Anfang des 19. Jahrhundertsgegründete «Coffe Baum». Die Sachsen entwickelten auch den Begriff«Bliemch'ngaffee» oder «Blümchenkaffee» für einen besonders dünnenTrank. Er enthält so viel Wasser, dass bei einer gefüllten Tasse ausMeissner Porzellan das Dekorblümchen auf dem Grund zu erkennen ist.

«Melitta Bentz erfand eine satzfreie aromatische Art, Kaffee zubrühen», sagt ein Firmensprecher. Bis dato wurde - wenn gefiltert -ein Stoffbeutel benutzt. Der wirkte aber nach einiger Zeit wenighygienisch. Dazu veränderte er das Aroma des Kaffees. Am 20. Juni1908 meldete die Hausfrau ihre Erfindung beim Kaiserlichen Patentamtan: «Für einen mit "Filtrierpapier" arbeitenden "Kaffeefilter mit aufder Unterseite gewölbten Boden sowie schräg gerichtetenDurchflusslöchern», wie das Archiv des Unternehmens preisgibt.

Mit wenigen Reichspfennigen startete Bentz ihr kleines Unternehmenaus der heimischen Wohnung heraus. Im «Frauenstadtarchiv» von Dresdensind die wenigen bekannten Fakten über das Leben der berühmtenTochter Dresdens notiert. Geschäftstüchtig wurde die Erfindungbekannt und schnell zum Erfolg in deutschen Küchen gemacht. DasFirmengelände, wo Mitte der 1920er Jahre bereits über 100 000 Filter,inzwischen auch aus Porzellan, hergestellt wurden, wurde bald zuklein. 1929 zog die Dresdnerin mit ihrer Firma nach Minden.

Nun stehen dem Familienunternehmen die Enkel der 1950 gestorbenenFirmengründerin vor. Zur Unternehmensgruppe gehören weltweit 50Gesellschaften mit 3200 Mitarbeitern. Die Form des von Melitta Bentzerfundenen Filters blieb nahezu unverändert. Optimiert wurdenFilterform und das -papier. Heute werden jedoch Spezialpapiere fürdie unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen verarbeitet. Täglichentstehen zwischen 35 und 50 Millionen Kaffeefilter.

2006 hat der Deutsche Kaffeeverband einen «Tag des Kaffees» fürdas Lieblingsgetränk der Deutschen ins Leben gerufen. «Deutschlandist ein Kaffee-Land», betont Hauptgeschäftsführer Holger Preibisch.Der Konsument entdecke zunehmend die Vielfalt sowohl beim Geschmackals auch in der Zubereitung. Aber der Klassiker bleibe mit 80 Prozentweiterhin Filterkaffee. So stehe in 51 Prozent aller deutschenHaushalte eine klassische Kaffeemaschine und sechs Prozent allerGenießer gewinnen den belebenden Trank wie zu Melitta Bentz' Zeitenmit einem Kaffeefilter per Hand.